Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens
kohleschwarzen Strichen verdunkelte.
Komm schon, Jane, drängte er sie stumm.
Er stellte sich vor, wie sie in ihrer Haushälterinnenschürze aus dem alten, verzierten Haus käme. Sie würde ihn sehen, und ein Lächeln würde ihr Gesicht erhellen. Sie käme in seine ausgebreiteten Arme gelaufen, und er würde sie festhalten und sie zärtlich dafür schelten, dass sie sich in der Nacht einfach davongeschlichen hatte.
Und sie würde lachen und sagen, ein Yale-Mann sollte klug genug sein, das Mädchen aufzuspüren, das er liebt.
Das Tageslicht schwand, und die Mücken kamen. George schlug genervt nach ihnen. Er wollte seine Nachtwache gerade aufgeben, als ihm ein paar Leute am Dienstboteneingang auffielen. Eine kleine Gruppe Frauen in Dienstbotenkleidung kam heraus. Für ihn sahen sie alle gleich aus, wie Pilger in einem Theaterstück. Er stand auf und blinzelte gegen das Licht, um Jane auszumachen.
Die Frauen lachten und plauderten. Sie blieben kurz stehen und holten ein Zippofeuerzeug heraus, um ihre Zigaretten anzuzünden. Dann ging die Gruppe geschlossen zur Bushaltestelleauf der anderen Straßenseite, um ihren Heimweg anzutreten.
Endlich fand er heraus, welche von ihnen Jane war. Er erkannte ihre schlanke Silhouette und das ungebändigte Haar, das sich aus den Kämmen gelöst hatte. Anders als letztes Mal blieb sie mit ihren Kolleginnen zusammen und gab ihm keine Gelegenheit, allein mit ihr zu sprechen.
Ihr Name lag auf seinen Lippen, doch er zögerte. Wenn er sie riefe, was dann? Würde er sie vor ihren Freunden verlegen machen? Schlimmer noch, würden sie ahnen, was sich in jener stürmischen Nacht in seinem Collegezimmer zwischen ihnen abgespielt hatte? Würde er ihren Ruf ruinieren?
Das wollte er auf keinen Fall.
Während er überlegte und mit sich selber diskutierte, schaute Jane in seine Richtung und schien ihn zu sehen. Sie hob ihren Arm halb zur Begrüßung an.
In dem Moment kam eine Gruppe Studenten aus dem De-Witt-Haus, in dem die berüchtigte Verbindung Gamma Delta ihre Treffen abhielt. Diese Männer standen ganz oben auf der sozialen Leiter hier in Yale. Sie waren Georges Kumpels; er war einer von ihnen.
„Georgie Porgie mit den lahmen Beinen“, rief Greenhill und legte ihm einen Arm um den Nacken. Eine Wolke alkoholgeschwängerten Atems vernebelte die Luft. Offensichtlich hatten sie heute früher mit der Cocktailstunde angefangen.
„Küsst die Mädchen und lässt sie weinen“, beendete Sterling. „Was zum Teufel tust du ganz alleine hier draußen, Georgie Porgie?“
„Den Mädchen hinterherpfeifen“, lallte Akers. Dann sah er die Dienstboten auf der anderen Seite der Straße an der Bushaltestelle. „Oh, guckt mal. Da sind sie ja.“
„Die Dienstmädchenbrigade“, rief Greenhill.
George beschlich ein ungutes Gefühl. „Jungs …“
„Kommt, gebt uns einen Kuss, Mädchen!“ Akers machte eine anzügliche Geste.
„Ich muss mir eine von denen schnappen“, erklärte Wilson. „Die ideale Frau. Sie lässt sich von dir auf alle Arten rannehmen und bügelt dir danach deine Hemden.“
Die anderen lachten laut. Georges Magen zog sich zusammen.
Die Mädchen drängten sich enger zusammen und wandten den johlenden Männern die Rücken zu.
George wagte es nun nicht mehr, Jane anzusprechen. Nicht in Gegenwart dieser Idioten. Er wünschte, sie könnte sein Bedauern sehen. Und er hoffte, sie würde verstehen, dass er sich von ihr abgewandt hatte, um keine Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Es hatte keinen Sinn, sie dem Gespött dieser Jungen auszusetzen.
„Ich habe gehört, die angestellten Helferinnen können viel mehr als nur helfen“, feixte Akers.
„Ja, wenn sie Nein sagen, meinen sie Ja . Und nicht heißt doch . Und Stopp heißt Mach weiter .“
„Sie können es die ganze Nacht treiben. Sie finden nie ein Ende.“
George konnte den Erinnerungen nicht entfliehen, die durch seinen Kopf dröhnten. Bitte. Nicht. Aufhören.
Bitte. Hatte sie ihn gebeten, sie in Ruhe zu lassen?
Nicht. Hatte sie das so gemeint? Berühr mich nicht?
Aufhören. Er hatte sie es sagen hören. Aber konnte er die Bedeutung missverstanden haben?
Verdammt! Er musste mit ihr reden.
„Vielleicht schnapp ich mir jetzt einfach eine von ihnen. Die Rothaarige sieht mir nach einem Leckerbissen aus“, sagte Greenhill.
„Jungs, ich habe eine bessere Idee.“ George packte Greenhill am Kragen seiner Jacke und lenkte ihn in die entgegengesetzte Richtung. „Schauen wir doch mal, was in Kelly’s Pub los
Weitere Kostenlose Bücher