Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens
„Aber alles der Reihe nach. Wie wäre es, wenn wir erst einmal daran arbeiten, uns zu verabreden? Zählt das heute als Date?“
Sie lachte und tat so, als fände sie seine Frage amüsant. „Ja, sicher.“ Nervös schaute sie auf ihr Handydisplay, ob sie vielleicht eine Nachricht von George verpasst hatte.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Ross.
„Keine Nachrichten sind gute Nachrichten“, sagte sie.
„Wie bist du überhaupt zu diesem Job gekommen? Leute aus dem Leben zu begleiten, meine ich? War das schon immer dein Traum?“
„Sehr lustig! Klar, alle kleinen Mädchen träumen davon, wenn sie groß sind, anderen Menschen beim Sterben zu helfen.“
„Worin liegt dann der Reiz?“
„ Reiz ist nicht das richtige Wort. Es ist mehr eine … Berufung. Es passt zu mir. Die Arbeit ist wichtig und muss gut erledigt werden – und mit Liebe. Ich kann meine Patienten aus ganzem Herzen lieben“, erklärte sie. „Ich liebe sie für die Zeit, die ihnen bleibt. Und dann lasse ich sie gehen und ziehe weiter.“
„Ich weiß nicht, wie du das machst. Wie erträgst du das?“
„Ich tue es einfach.“ Sie hielt inne, weil sie merkte, dass ihreStimme ganz rau klang. Sie liebte ihren Beruf, aber sie war es nicht gewohnt, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Es war so einfach, mit Ross über alles zu reden – und so gefährlich. „Dieses Gebiet der Krankenpflege habe ich entdeckt, als ich meine praktische Ausbildung absolviert habe. Es war einfach, sich von den dankbaren Bereichen angezogen zu fühlen – sich um Babys kümmern, Arbeiten in der Klinik oder in der Notaufnahme. Menschen wieder zusammenzuflicken und sie zurück in ihr Leben zu entlassen ist leichter. Die Arbeit hat mir auch gefallen. Aber dann habe ich mir meinen Job und mich einmal genauer angeschaut und festgestellt, dass der Beruf der Krankenschwester sehr viele feine Nuancen hat und man den Menschen auf so vielfältige Weise helfen kann. Ich habe gelernt, dass Hilfe nicht immer Heilung bedeutet. Manchmal heißt es einfach, alles zu tun, was dem Patienten Trost spendet und ihn friedlich mit seinem Leben abschließen lässt. Wir haben in den Kursen und bei den Besprechungen der Visiten viel darüber gesprochen, was einen guten Tod ausmacht. Das waren interessante Diskussionen, aber niemand hat darauf eine allgemeingültige Antwort.“
„Glückwunsch, Miss Turner!“, sagte er mit einem Funkeln in den Augen. „Sie haben soeben den Wettkampf, wer von uns der größere Märchenerzähler ist, für sich entschieden.“
Ihre einzige Reaktion bestand darin, ihren Kopf schief zu legen und ihn fragend anzuschauen. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich keine Ahnung habe, wovon du redest.“
„Ich werde jetzt eine Vorhersage treffen“, sprach er weiter. „Eines Tages wirst du mir zeigen, wer du wirklich bist.“
So wie er es sagte, jagte es ihr einen Schauer über den Rücken. Niemand hatte je zuvor so mit ihr gesprochen, und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. „Beschuldigst du mich etwa, etwas zu verbergen?“
„Ich beschuldige nicht – ich beobachte lediglich. Du kannst mir gern jederzeit das Gegenteil beweisen, wenn dir danach ist.“
Als Claire und Ross heimkamen, machten Charles und Jane sich gerade zum Aufbruch bereit. Claire fand, dass George ein wenig blass aussah, aber vielleicht lag das am Wein. Er lächelte und schien entspannt, also sagte sie nichts.
„Es war zauberhaft!“, sagte Jane zu Ross. „Danke, dass du uns zusammengebracht hast!“
Ross nickte. „Danke, dass ihr gekommen seid.“
Claire fühlte ein leises Echo der Anziehung, die sie schon den ganzen Abend über verspürt hatte. Ross Bellamy war wie eine zu Kopf steigende, gefährliche Droge.
„Wir haben große Pläne“, verkündete Charles. „Wir wollen ein Familientreffen veranstalten.“
„Ein ganz großartiges, direkt hier im Camp Kioga“, fügte Jane hinzu. Sie sprudelte nur so über vor Aufregung über das, was vor ihnen lag. „Ich werde mich um alles kümmern – Georges Familie und unsere, alle werden sich hier versammeln.“
Claire warf Ross einen Blick zu. Sein Lächeln wirkte etwas angespannt. „Fühlst du dich so etwas denn gewachsen, Granddad?“, fragte er.
„Aber sicher“, erwiderte George. Er schien zufrieden, aber auch ein wenig müde zu sein. „Wenn jemand so etwas in kurzer Zeit auf die Beine stellen kann, dann Jane.“
„Wir haben ein Familienalbum hiergelassen, damit du es dir anschauen kannst, Ross.“ Jane
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