Sommerfrische – Verbotene Kuesse im Mondschein
bezüglich der Verbindlichkeiten seines verstorbenen Schwagers gespielt hatte, von Herzen zuwider.
Überhaupt hätte Humphrey nie in ein gemeinsames Besitzrecht mit Mr. Ingram an der “Northern Prince” einwilligen dürfen. Der Schwager hatte jedoch jede Gelegenheit genutzt, zu Geld zu kommen, und war leicht zu beeinflussen gewesen. Durch den Untergang des Schiffes, der gewiss auf widrige Witterungsverhältnisse zurückzuführen war, hatte Humphrey ein Vermögen verloren, sodass Della nach seinem Tod in höchste finanzielle Bedrängnis geraten war.
Als Adam das Ausmaß der Schulden seines Schwagers festgestellt hatte, war es für ihn eine Sache der Ehre gewesen, sie zu begleichen. Die vorausgehenden Gespräche mit Mr. Ingram waren äußerst unerfreulich verlaufen, denn der Kaufmann hatte keinen Hehl aus der Freude über den für ihn gewinnträchtigen Vorgang gemacht.
Adam beobachtete Lady Wycherley und kam plötzlich durch die Tatsache, dass sie seine Nachbarin war, auf den Einfall, länger denn geplant in Eynhallow zu bleiben, wo er sich ursprünglich nur kurze Zeit hatte aufhalten wollen. Vielleicht gestaltete die Zeit in Harrogate sich dadurch abwechslungsreicher und interessanter.
“Finden Sie nicht auch, dass Lady Wycherley einen wirklich scheußlichen Hut trägt?”, fragte Margot verächtlich. “So ein grässliches Ding würde ich nie aufsetzen!”
“Ach, seien Sie still, Miss Mardyn”, erwiderte Adam ungehalten, wenngleich er ihr im Stillen recht gab. Lady Wycherley war in der Tat nicht sehr vorteilhaft gekleidet. Der Hut war nicht besonders hübsch, und die graue Farbe ihres Tageskleides machte sie blass. Sie bewegte sich jedoch mit einer natürlichen Grazie, die ihm gefiel. Plötzlich lachte sie über etwas, das ihr Vetter geäußert hatte, und schaute ihn belustigt an. Sie sah sehr jung aus, gelöst und glücklich.
Im nächsten Moment knüpfte sie die Bänder der Schute auf, nahm sie ab und strich sich über das in der Sonne wie Gold schimmernde blonde Haar. Der Anblick faszinierte Adam, und irgendwie bedauerte er, dass es zu einem Knoten aufgesteckt war. Er hätte es gern gelöst gesehen, auf die Schultern fallend, und es zwischen den Fingern hindurchgleiten gespürt. Unvermittelt entsann er sich, dass er gehört hatte, sie sei als Patronesse tätig und habe den Ruf, selbst hoffnungslos erscheinende Fälle erfolgreich an den Mann zu bringen. Die Aufgabe, der sie sich widmete, bedingte es, sich unauffällig im Hintergrund zu halten, denn keine junge, nach einem Gatten Ausschau haltende Dame sah es gern, wenn ihre Anstandsdame attraktiver war als sie.
Adam wandte sich vom Fenster ab, kehrte zu seinem Sessel zurück und nahm wieder Platz. Schon im Begriff, die unterbrochene Lektüre des Artikels über Mr. Ingram fortzusetzen, der die Absicht hatte, die Zollrechte für die Straße nach Skipton zu kaufen, wurde er durch ein Klopfen an der Salontür gestört. “Herein!”, rief er und sah gleich darauf Tranter, gefolgt von Latchem, der den Teewagen schob, ins Gesellschaftszimmer kommen.
Tranter servierte den Tee und zog sich dann diskret wieder mit Latchem zurück.
Missmutig ging Margot zu Seiner Lordschaft, ließ sich ihm gegenüber in einem Fauteuil nieder und äußerte spitz: “Hätte ich geahnt, Sir, dass Sie ein so schlechter Gesellschafter sind, wäre es besser gewesen, das mir in Cheltenham angebotene Engagement anzunehmen!”
“Es tut mir leid, Miss Mardyn, wenn ich Sie langweile”, erwiderte er kühl. “Ich bin jedoch überzeugt, dass Sie in Harrogate genügend Herren kennenlernen werden, die Sie besser unterhalten können als ich, zum Beispiel Mr. Lafoy.”
“Ich weiß nicht, ob es amüsant wäre, ihn zu erobern”, entgegnete Margot schulterzuckend. “Ich befürchte, nach einer Weile wird er sich als verknöchert und ermüdend herausstellen. Gibt es sonst niemanden, der reizvoller für mich wäre?”
Adam warf einen Blick auf die Gesellschaftskolumne der Zeitung und antwortete trocken: “Ja, der Earl of Glasgow und seine Gattin sind in diesem Sommer in der Stadt. Allerdings ist er nicht mehr der Jüngste und außerdem nicht sehr freigiebig. Des Weiteren ist Baron Boyles anwesend, ein reichlich dicker, ständig verschwitzter Patron, sowie Sir Everard Doble, den ich Ihnen schon eher empfehlen kann, da er jung und einigermaßen vermögend ist.”
“Sir Everard Doble”, wiederholte Margot nachdenklich. “Nun, wenn er begütert ist …” Vielsagend hielt sie inne, schaute
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