Sommerkuesse
sein.«
»So alt siehst du gar nicht aus«, sagt Anne und läuft sofort rot an.
Doug lacht. »Danke!«, sagt er. Dann holt er eine Banane, eine Frischhaltedose und eine Gabel aus einer Tüte.
»Warst du dir von Anfang an sicher, dass du Archäologe werden willst?«, frage ich ihn.
Doug schüttelt den Kopf. »Die Zwischenprüfung hab ich noch in Anthropologie gemacht, aber dann hatte ich keine Ahnung, was ich damit anfangen soll. Und an meiner ersten Ausgrabung hab ich nur teilgenommen, weil meine damalige Freundin auch mitgemacht hat.«
»Dann war es ja eigentlich bloß Zufall, dass du bei der Archäologie gelandet bist!« Ich weiß zwar nicht, ob das die Art von Unterhaltung ist, die Ms Fraser sich vorgestellt hatte, aber Dougs Geschichte interessiert mich wirklich.
»Ja, stimmt. Komisch, was? Und wenn ich damals gewusst hätte, dass die Ausgrabungen nur einen ganz kleinen Teil der Arbeit ausmachen und man die meiste Zeit im Labor sitzt, hätte ich vielleicht was ganz anderes gemacht. Kann gut sein, dass ich dann Waldhüter geworden wäre oder so.«
Das schockt mich ein bisschen. »Interessiert dich die Forschung denn überhaupt nicht?«, frage ich.
»Doch, klar! Nur heißt das nicht, dass man es superspannend finden muss, im Labor zu hocken und irgendwelche Bodenproben auszuwerten oder spektografische Analysen von Tonscherben anzufertigen. Aber das gehört eben auch dazu, wenn man das hier machen will.«
»Ms Fraser hat uns gewarnt, dass die Chancen, später mal einen Job zu kriegen, ziemlich schlecht stehen«, sagt Anne.
Doug schält seine Banane. »Stimmt schon, aber so dramatisch ist es auch wieder nicht. Du knüpfst ja im Laufe des Studiums eine Menge Kontakte, und wenn für ein Forschungsprojekt mal wieder Anträge auf Zuschüsse gestellt werden und der Projektleiter weiß, dass du gerade nichts zu tun hast, dann kann er eine passende Stelle für dich ausschreiben und dich anfordern.«
»In der Archäologie dreht es sich viel mehr um Geld, als ich gedacht hätte«, sage ich.
»Es dreht sich immer alles ums Geld, Nicola«, erwidert Doug und beißt in seine Banane.
6. August, 23:42 Uhr, bei mir
feldbeobachtungen:
positive sachen, die passiert sind, seit battle und ich nicht mehr zusammen sind:
• die unterhaltung mit anne im bus
• doug kennen gelernt und viel über archäologie gelernt (er hat mich auch nach meiner e-mail-adresse gefragt.)
• paar nette abende mit katrina verbracht (in letzter zeit nicht mehr, weil sie nur noch an ihrem pc sitzt.)
• mit isaac am fluss spazieren gegangen (bloß die sache mit dem kuss war nicht so toll.)
… aber eigentlich ist mir das alles egal. ich laufe mit dieser klaffenden wunde mitten in meiner brust herum, versuche, sie zu ignorieren, und hoffe, dass die anderen sie auch nicht beachten.
nicola lancasters hirn ist: die haut unter dem grind, den jemand gerade abgerissen hat. sie ist rosa und roh und tut weh und entzündet sich leicht. der denkfehler an dieser metapher ist: haut unter grind kann nicht bescheuert sein. ich möchte am liebsten wegrennen und mich verstecken, ganz egal wo auf dieser welt, nur nicht da, wo sie ist. das blöde ist, dass ein teil von mir nichts anderes will, als bei ihr zu sein.
ich glaube schon, dass es mir gut getan hat, mit ms fraser zu sprechen, aber geholfen hat es nichts. höchstens meiner endnote. vielleicht ist sie gnädiger, weil ich ihr leid tue. aber battle hat sie mir nicht zurückgebracht und kevin mit einer saite von seiner gitarre erwürgt hat sie auch nicht. vorherrschendes gefühl: wut auf mich selbst. das ganze sollte ein ferienkurs werden und keine idiotische daily soap (nur dass es in diesen soaps nie liebesbeziehungen zwischen mädchen gibt, es sei denn, die eine stirbt bei einem tragischen autounfall und die andere wird dann von einem charmanten jungen mann über den verlust hinweggetröstet).
verdammte scheiße. das bringt mir auch nichts.
Ich schlage mein Ringbuch zu. Vielleicht sollte ich Doug zu Ehren auf den Baum im Hof klettern, nur hab ich leider nichts zu kiffen.
Es ist ziemlich kühl heute Abend. Man hat gar nicht mehr das Gefühl, dass Sommer ist. Ich brauche meinen Pulli.
Erst als ich meine Hand auf den Pulli lege, fällt mir wieder ein, was darunter liegt.
Damals hat er mich an ein Seil erinnert. Aber ob dieses Seil lang genug ist, um mich damit aufzuhängen? O Gott, Nic, hör mit der melodramatischen Scheiße auf. Ich nehme den Pulli und Battles Zopf aus der Schublade. Ich
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