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Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lise Marstrand-Jørgensen
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»Ruft den Herrn des Hauses, damit sie getauft werden kann, sie lebt nicht lange.«
    Mechthild hört es und hört es doch nicht. Ihre Schwägerin Ursula von Sponheim schreitet ungeduldig zur Tür, wartet nicht darauf, dass das schwerfällige Dienstmädchen reagiert. Sie lässt die Tür offen stehen, hebt das Kleid an und stampft den Gang hinunter. Ursulas Tochter Kristin, die zusammen mit ihrer Mutter und deren Gefolge am Abend zuvor angekommen ist, tätschelt Mechthild die Wange. Ihr rundes Gesicht gleicht einem undeutlichen, schlammigen Wasserloch.
    »Ist sie …«, flüstert Mechthild und will sich aufsetzen, als ein scharfer Schmerz wie glühendes Eisen durch ihren Unterleib und den Rücken hinaufschießt und sie zurück aufs Bett wirft.
    Kristin schüttelt den Kopf. Dunkle Augenflecken schwimmen in dem Wasserloch herum, ein kirschroter Mund, der sich bewegt, aber stumm bleibt. Es ist die erste Geburt, bei der Kristin zugegen ist, es soll eine Vorbereitung sein auf das, was sie erwartet. In diesem Frühjahr erst hat sie geheiratet, und gesegnet mit der Fruchtbarkeit der Familie ist sie bereits schwanger.
    Mechthild ist es gleichgültig, was Kristin zu sagen versucht, das Kind lebt, so viel versteht sie. Aber Kristin flüstert weiter, obwohl sie spürt, dass es nicht zu Mechthild durchdringt, die aufgequollen und heiß im Bett liegt. Wie sie von dem Geburtsstuhl ins Bett gekommen ist, davon hat Mechthild selbst keine Ahnung, aber nun liegt sie auf mehreren Lagen feinem Leinen, die sorgfältig geglättet und unter die Matratzen gestopft sind. Die Stube mit dem Wochenbett riecht nach frischem Streu, das auf dem Boden verteilt wurde, nach dem Rauch der Fichtenscheite, nach Schweiß und dem süßen, sauren Geburtsgeruch aus Blut und Körper.
    Es ist Hochsommer, der wärmste seit Menschengedenken, und niemand kann sagen, wo es am wärmsten ist – auf dem Hofplatz oder zwischen den dicken Steinmauern des Hauses. Auf der Feuerstelle schwelt die Glut und hält den Kessel am Kochen, entlang der Wände sitzen die Frauen mit den Händen im Schoß und mit glänzenden Gesichtern. Sie haben dort seit dem frühen Morgen gesessen, waren nicht einmal zur Messe gegangen, obwohl es Sonntag ist, und jetzt ist es nicht mehr lange bis Sonnenuntergang. Stumm betet Kristin für Mechthild, für das Neugeborene, für sich selbst und für das Ungeborene, das sich den ganzen Tag noch nicht gerührt hat, als ob es ahnt, dass es in Gefahr ist. Wenn Mechthild oder das Kleine nicht überleben, dann ist es schwer, das nicht als böses Vorzeichen aufzufassen. Bei dem Gedanken daran schnappt Kristin vor Angst nach Luft.
    Hildeberts Schritte sind wie ein tiefer und langsamer Gesang, der Ursulas hastigem Trippeln trotzt. Mechthild kann die Augen nicht offen halten, die Schwangerschaft war anstrengend, und die Geburt hat viel zu lange gedauert, wenn man bedenkt, dass dieses Kind ihr zehntes ist. Roricus, Clementia, Drutwin, Benedikta, Irmengard, Odilia, Hugo. Und die beiden Jungen, die Zwillinge, die nicht einmal getauft werden konnten. Unter der Decke ballt sie die Hände zu Fäusten. Es darf nicht wieder geschehen, nicht noch mehr Kinderseelen sollen verurteilt vor den Toren des Paradieses umherirren müssen, weil sie der Teufel geholt hat. Mechthild will protestieren: Kommt ein Mann zu einer Geburt, wird jemand sterben müssen, sagt man, aber die Trockenheit in ihrer Kehle erstickt ihre Worte. Stirbt sie, wird sie auch ohne die Letzte Ölung zurechtkommen, sie, die bei Vater Cedric gebeichtet hatte in der Woche, bevor die Wehen eingesetzt haben. Mit dem Ungetauften haben die Dämonen hingegen leichtes Spiel. Da hilft es auch nicht, dass Ursula die Heiligenamulette zwischen die Laken geschoben und die Fenster abgedeckt hat, sodass nur ein einzelner, standhafter Lichtstrahl hereindringt. Sie greift nach Kristins Hand, aber das Mädchen murmelt nur geistesabwesend vor sich hin, als sei Mechthild, die stöhnt und sich räuspert, ein kleines Kind, das es zu beruhigen gilt.
    »Lebt sie noch?«, fragt sie, aber niemand antwortet.
    Sie lauscht auf Hildeberts Stimme, während er die Worte der Taufe spricht. Sie wartet auf den Namen, sie haben noch nicht darüber gesprochen, aber das Kind braucht ganz eindeutig einen kraftvollen Namen, und sie hofft, er möge an die Heiligen denken.
    »Nenn sie Margaretha«, flüstert sie. Außer Kristin hört niemand, was sie sagt. Das Mädchen sieht sie aber nur mit ausdruckslosem Blick an, während sie ihr mit

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