Sommerkussverkauf
unserer Kundinnen ist schwanger, und wir machen ihr regelmäßig Baguette mit Hühnchen und Banane, Frühlingszwiebeln und Marmite. Mir tut nur das Baby leid.« Maddy schauderte, als ein weiterer Windstoß sie erfasste. Es mochte zwar Juni sein, aber man war hier in England und jeder, der auch nur einen Funken von Verstand besaß, befand sich im Haus.
»Sie frieren«, beobachtete er. »Ich würde Ihnen meine Jacke leihen, wenn ich eine tragen würde. Nehmen Sie das hier.« Er zog seine Brieftasche aus seiner Hosentasche und reichte ihr eine Visitenkarte.
»Die wird mich nicht wärmen.«
»Kommen Sie am Montagmorgen bei uns vorbei. Vielleicht sollten wir den Imbisslieferanten wechseln.«
Hurra, ein Ergebnis. Maddy stopfte die Visitenkarte in ihre Hosentasche und freute sich über die glückliche Wendung, die dieser Abend genommen hatte. Er schien nicht nur ein netter Mann zu sein, sondern auch eine potenzielle Erweiterung ihrer Kundenliste.
»Hervorragend.« Sie stand auf und spürte einen Luftzug, als der L-förmige Riss in ihrer Hose plötzlich aufklaffte. »Passt es Ihnen gegen elf Uhr?«
»Gehen Sie zum Empfang und fragen Sie nach …«
»Ich weiß schon.« Maddy klopfte auf die Tasche, in der seine Visitenkarte steckte, und grinste. »Ich frage einfach nach Supermann.«
Kate würde nach Hause zurückkehren. Zurück nach England, zurück nach Ashcombe. Nicht, weil sie es wollte, sondern weil sie keine andere Wahl hatte. New York war nicht länger die richtige Stadt für sie. Die todschicken Hotels an der Park Avenue waren nicht daran interessiert, eine Empfangsdame mit vernarbtem Gesicht einzustellen; ihr Aussehen passte nicht länger zum Ambiente. Im Grunde war sie ein Abtörner. Vielleicht hätte sie noch einen riesigen Aufstand zelebrieren und damit drohen können, sie zu verklagen, aber dazu hatte sie sich nicht aufraffen können. Sie war es ohnehin leid, wie eine Aussätzige behandelt zu werden. Jedes Mal, wenn sie sich auf die Straße traute, gab es da eine Million New Yorker, die mit dem Finger auf sie zeigten und sie anstarrten. Nach einer Weile machte einen das völlig fertig.
Kate wandte sich vom Fenster ihres Lofts im East Village ab und fast unweigerlich entdeckte sie ihr Spiegelbild in dem ovalen Spiegel auf der gegenüberliegenden Wand. Sogar jetzt noch, fast ein Jahr danach, zuckte sie zusammen, wenn sie sich selbst sah – das bin ich nicht, o Gott das
bin
ich!
Es ließ sich nicht länger leugnen: Sie war jetzt offiziell hässlich. Wie in Ashcombe bei ihrem Anblick alle lachen würden! Vielleicht nicht direkt ins Gesicht, aber hinter ihrem Rücken. Da gab sie sich gar keinen Illusionen hin. Es war nicht angenehm, das zugeben zu müssen, aber wenn jemand diese Strafe verdiente, dann sie.
»Wie kommst du mit dem Packen voran?« Mimi, ihre Mitbewohnerin, die so gut wie nie da war, lugte durch die Schlafzimmertür.
»Nur langsam.« Kate nahm ihre pinkfarbenen Calvin-Klein-Jeans zur Hand, faltete sie halbherzig und legte sie in einen der Koffer, die offen auf dem Bett lagen.
»Wir gehen jetzt ins Kino. Du kannst gern mitkommen, wenn du magst.« Mimi strahlte sie mit dieser Art von überbreitem Lächeln an, das signalisierte: Ich sage es, aber ich meine es eigentlich nicht so.
»Danke, nein. Ich packe besser zu Ende.« Kate fragte sich, was mit Mimis Lächeln passiert wäre, wenn sie gesagt hätte: »O wie schön, ich komme sehr gerne mit!«
Die Wohnungstür wurde zugeschlagen, und Kate ließ sich auf den Rand ihres Bettes fallen. Wütend wischte sie sich eine Träne aus dem Gesicht. Sie war froh, dass sie aus New York wegkam, warum machte es ihr also etwas aus?
Die Rückkehr nach Ashcombe würde zweifellos noch viel schlimmer.
2 . Kapitel
Wer in einer Stadt wohnt und Ashcombe besucht, würde es wohl Dorf nennen. Offiziell war Ashcombe eine Kleinstadt, bezaubernd schön und bei Touristen beliebt. Es lag eingebettet in einem Tal in den Cotswolds, fast wie in einem Rosamunde-Pilcher-Film. Jeder kannte jeden, und alle Zugezogenen wurden traditionell mit Misstrauen betrachtet. Das ungeschriebene Gesetz lautete, dass man erst über fünfzig Jahre in Ashcombe leben musste, bevor man nicht länger als widerwillig tolerierter Außenseiter galt. Wenn man wirklich großes Glück hatte, wurde man danach unter Umständen als Einheimischer akzeptiert.
Doch als Juliet Price vor fünf Jahren von London hergezogen war und das Peach-Tree-Delikatessengeschäft eröffnet hatte, war diese Regel auf
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