Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
die nicht die deinen sind, hören auf ihn. Er hat Einfluss … und sie beschützen ihn.«
Sorcha bedeutete ihr, dass sie mehr hören wollte. »Berichte mir.«
»Er teilt mit der Sommerkönigin das Bett, nicht einfach nur als Gespiele, sondern als Prinzgemahl. Die Winterkönigin hat ihm die Sehergabe geschenkt. Der neue König der Finsternis nennt ihn ›Bruder‹.« Bananach setzte sich wieder und machte ein finsteres Gesicht, das Sorcha – aus guten Gründen – stets beunruhigte: Wenn Bananach sich konzentrierte, war sie noch gefährlicher. »Und du, meine Schwester, hast keinerlei Einfluss auf ihn. Ihn kannst du nicht entführen. Ihn kannst du nicht stehlen wie die Halblinge und die anderen Gespielen mit Sehergabe.«
»Ich verstehe.« Sorcha reagierte nicht. Sie wusste, dass Bananach wartete; dass sie noch etwas zurückhielt, womit sie ihr letztes bisschen Gelassenheit zunichtemachen konnte.
»Irial hatte auch eine Gespielin, ein kleines sterbliches Ding, das er an sich gebunden und verwöhnt hat, als wäre sie würdig, sich am Hof der Finsternis aufzuhalten«, setzte Bananach nach.
Sorcha schnalzte verächtlich über Irials törichtes Verhalten. Sterbliche waren zu zerbrechlich, um die Exzesse am Hof der Finsternis zu überstehen. Das musste er doch eigentlich wissen. »Ist sie gestorben? Oder verrückt geworden?«
»Weder noch. Er hat wegen ihr auf seinen Thron verzichtet … so korrumpiert war er von ihrer Sterblichkeit … ekelhaft, wie sehr er sie verehrt hat. Das ist der Grund, weshalb jetzt der Neue auf dem Thron sitzt, der eigentlich mir zusteht.« Bananach hielt weiterhin die Maskerade einer Geschichtenerzählerin aufrecht, doch ihre Stimmung wurde zunehmend gefährlicher. Die Betonung der Wörter, die Sprachmelodie, die sie üblicherweise beim Geschichtenerzählen pflegte, verschwand. Stattdessen betonte sie willkürlich dies und das. Ihre Gier nach der Herrschaft über den Hof der Finsternis brachte sie aus der Fassung; und dass sie dies erwähnte, verhieß nichts Gutes über ihren Gemütszustand.
»Wo befindet sie sich jetzt?«, fragte Sorcha.
»Inzwischen hat sie keinen Einfluss mehr …« Bananach fuhr mit der Hand durch die Luft, als wollte sie Spinnweben vor ihrem Gesicht wegwischen.
»Warum erzählst du mir dann von ihr?«
Bananachs Miene war schwer zu deuten, doch in ihren Augen änderte sich die Konstellation; nun sah man das Sternbild Zwillinge darin. »Ich weiß, dass wir viel … miteinander teilen; ich dachte mir, du solltest es wissen.«
»Ich verspüre kein Bedürfnis danach, von Irials abgelegten Gespielinnen zu hören. Es ist zwar eine bedauerliche Angewohnheit von ihm, aber« – Sorcha zuckte die Achseln, als wäre es nicht weiter von Belang – »ich kann die Verderbtheit seines Hofes nicht zügeln.«
»Ich könnte es …« Ein sehnsuchtsvolles Seufzen folgte auf diese Worte.
»Nein, könntest du nicht. Du würdest auch noch den letzten Rest von Selbstbeherrschung zerstören, der den Dunkelelfen geblieben ist.«
»Vielleicht« – Bananach seufzte erneut – »aber die Schlachten, die wir führen könnten … Ich könnte an deine Türschwelle kommen, blutüberströmt, und …«
»Mit Drohungen wirst du meine Unterstützung nicht gewinnen«, ermahnte Sorcha sie, obwohl es eigentlich sinnlos war. Bananach konnte nicht anders, als vom Krieg zu träumen, so wie Sorcha ihrem Hang zur Ordnung nicht widerstehen konnte.
»Das ist doch keine Drohung, Schwester, bloß ein schöner Traum.« In einer Bewegung, die so schnell war, dass auch Sorcha sie nur verschwommen wahrnehmen konnte, kauerte sich Bananach vor ihre Schwester. Ihre Federn wehten nach vorn und strichen über Sorchas Gesicht. »Ein Traum, der mich nachts warm hält, wenn ich kein Blut habe, um darin zu baden.«
Bananachs Krallen, die eben noch so unregelmäßig auf den Tisch geklopft hatten, fanden einen gleichmäßigen Rhythmus, mit dem sie sich in Sorchas Arm bohrten und wieder daraus emportauchten, wobei sie winzig kleine Mondsicheln in ihre Haut stanzten.
Sorcha bewahrte Ruhe, obwohl die Wut in ihr emporstieg. »Du solltest besser gehen.«
»Ja, das sollte ich. Ich kann nicht klar denken in deiner Gegenwart.« Bananach küsste Sorcha auf die Stirn. »Der Sterbliche heißt Seth Morgan. Er sieht uns, so wie wir sind. Er weiß viel über unsere Höfe – selbst über deinen. Er ist seltsam … moralisch veranlagt.«
Ein Hauch von Sorchas Wut drohte an die Oberfläche zu dringen, als sie
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