Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
des Sommerkönigs bändigen konnte, schien Quinn Keenans jeweilige Stimmung noch zu verstärken. Deshalb betrachtete Seth den neuen Wachmann mit Misstrauen.
Quinn machte ein finsteres Gesicht. »Sie hat abwegige Vorstellungen. Der König kann nicht von uns erwarten, dass …«
Seth sah ihn einfach nur an.
»Was?«
»Glaubst du etwa, Keenan wird ihr jemals widersprechen? Bei irgendwas?« Seth musste fast laut lachen bei dieser Vorstellung.
Quinn sah ihn beleidigt an. »Selbstverständlich.«
»Irrtum.« Seth beobachtete, wie seine Freundin, die Königin des Sommerhofs, leuchtete, als steckten kleine Sonnen in ihrer Haut. »Du musst noch viel lernen. Keenan wird Ashs Plan eine Chance geben, es sei denn, sie überlegt es sich noch mal anders.«
»Aber so wurde der Hof schon immer regiert«, protestierte Tavish, der älteste Hofberater, gerade zum wiederholten Mal.
»Der Hof wurde schon immer von einem Monarchen regiert, nicht wahr? Das wird er auch immer noch. Ich brauche deine Zustimmung nicht, aber ich bitte dich um deine Unterstützung.« Ashlyn warf ihre Haare über die Schulter. Sie waren noch immer so schwarz wie die von Seth, hatten noch dieselbe Farbe wie früher, als sie noch ein Mensch gewesen war, doch jetzt, da sie eine von ihnen war, leuchteten goldene Strähnen darin.
Tavish erhob seine Stimme, was vor Ashlyns Zeit gar nicht seine Art gewesen war. »Meine Königin, es ist sicherlich …«
»Nenn mich nicht ›meine Königin‹, Tavish.« Sie stach ihm einen Finger in die Schulter. Von ihrer Haut stoben winzige Funken auf.
»Ich möchte dich ja nicht beleidigen, aber die Idee, regionale Führer einzusetzen, erscheint mir töricht.« Tavish lächelte begütigend.
Ashlyns Wut sandte Regenbogen durch den Raum. »Töricht? Unseren Hof so aufzugliedern, dass unsere Elfen in Sicherheit leben und jederzeit Hilfe bekommen können, wenn sie sie benötigen, soll töricht sein? Wir haben die Pflicht, für unsere Elfen zu sorgen. Wie sollen wir das denn schaffen, wenn wir gar keinen Kontakt zu ihnen haben?«
Aber Tavish lenkte nicht ein. »Solch eine gewichtige Veränderung …«
Seth blendete das Gespräch aus. Ashlyn würde ihm später ohnehin noch mal alles erzählen, wenn sie versuchte, sich einen Reim darauf zu machen. Ist ja nicht nötig, dass ich es mir zweimal anhöre. Er nahm die Fernbedienung und zappte durch die Musik. Irgendwer hatte den Song von den Living Zombies hinzugefügt, den er neulich mal erwähnt hatte. Er wählte ihn aus und fuhr die Lautstärke hoch.
Tavish sandte einen Hilfe suchenden Blick in die Runde. Seth ignorierte ihn, doch Quinn tat es nicht. Murrend, aber eifrig bestrebt, sich zu beweisen, kehrte der neue Berater an den Tisch zurück.
Dann kam Keenan in Begleitung mehrerer Sommermädchen herein. Sie sahen von Tag zu Tag schöner aus. Während der Sommer nahte – und Ashlyn und Keenan erstarkten –, schienen auch ihre Elfen aufzublühen.
»Keenan, mein König«, sagte Tavish sofort, »vielleicht könntest du Ihrer Majestät erklären, dass …« Doch seine Worte versiegten, als er den zornigen Ausdruck im Gesicht des Sommerkönigs sah.
In Reaktion auf seine explosive Stimmung sandte Ashlyns ohnehin schon leuchtende Haut so viel Licht aus, dass es Seth in den Augen wehtat, sie anzusehen. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte sie Sonnenstrahlen wie Hände nach Keenan ausgestreckt. In den letzten Monaten war ihre Verbindung zum Sommerkönig zunehmend stärker geworden.
Was echt nervt.
Keenan brauchte nur in ihre Richtung zu schauen, und schon war sie an seiner Seite und alles war vergessen, die Unterlagen, die Diskussion, alles, außer Keenan. Sie ging zu ihm, und der Rest der Welt stand still, nur weil Keenan aufgebracht aussah.
Es ist ihre Aufgabe. Die Hofangelegenheiten gehen vor.
Seth wollte sich darüber nicht ärgern. Er hatte hart daran gearbeitet, so zu werden, wie er jetzt war – ein Mensch, der sein Temperament unter Kontrolle hatte und sich durch seine sardonische Ader nicht zu bissigen Bemerkungen hinreißen ließ. Er kanalisierte diese aufrührerischen Impulse durch seine Gemälde und Skulpturen. Mit Hilfe seiner Kunst und seiner Meditation gelang es ihm inzwischen, Ruhe zu bewahren, doch Keenan stellte diesen hart erarbeiteten Fortschritt auf die Probe. Es war keineswegs so, dass Seth nicht verstanden hätte, wie wichtig es für den Sommerhof war, nach Jahrhunderten wachsender Kälte wieder zu Kräften zu kommen. Doch manchmal fiel es ihm
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