Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
Arme, als sie sich bückte und unter den Busch griff.
»Es tut mir so leid«, flüsterte er.
Sie lächelte erneut, als ihre Finger sich um das Zepter der Winterkönigin legten. Es war schlicht und abgegriffen, als hätten schon zahllose Hände das Holz umklammert.
Er trat noch näher heran. Das Rauschen der Bäume wurde lauter, fast ohrenbetäubend. Seine Haut, sogar ihre Haare leuchteten in einem immer helleren Glanz.
Sie hielt das Zepter der Winterkönigin in der Hand – und es fuhr kein Eis in sie hinein, sondern Sonnenlicht erfüllte sie.
Sie hauchte seinen Namen: »Keenan.«
»Meine Königin, meine Donia, ich wollte immer, dass du es bist.« Sein Sonnenlicht schien neben ihrem Glanz zu verblassen. »Du bist es … du bist es wirklich. Ich liebe dich, Don.«
Er streckte die Arme nach ihr aus, doch sie trat zur Seite.
Ihr Sonnenlicht wurde gleißend hell, und sie lachte. »Aber ich habe dich nie geliebt, Keenan. Wie könnte ich? Und wie könnte es irgendwer sonst?«
Er stolperte ihr nach, doch sie ging davon, verließ ihn und nahm das Sonnenlicht mit.
Als Keenan die Augen aufschlug, hielt er die Arme noch immer nach ihr ausgestreckt. Die Höhle, in der er geschlafen hatte, war voller Dampf. Nicht Frost. Nicht Eis. Er ließ das Sonnenlicht in seinem Innern heller aufflackern, um die Dunkelheit zu verjagen, in der sich seine Ängste und Hoffnungen in verworrenen Träumen austobten.
Die sich von der Realität gar nicht sonderlich unterscheiden.
Die Elfe, die er seit Jahrhunderten liebte, und die Königin, die er jahrhundertelang gesucht hatte, waren beide wütend auf ihn.
Weil ich sie beide enttäuscht habe.
Eins
Donia lief ziellos umher und fand Trost in der klirrend kalten Luft. Die beißende Kälte war wie ein Versprechen, das sie tief in ihre Lungen saugen wollte. Sie tat es und ließ mit jedem Atemzug Frost entweichen, ließ den verbliebenen Atem des Winters davonwehen. Die Sonnenwende näherte sich. Der Winter endete, und mit ihm lockerten Frost und Schnee, die sie in der letzten Zeit besänftigt hatten wie kaum etwas sonst, ihren Griff.
Evan, der Ebereschenmann, der ihre Leibwache anführte, ging neben ihr. Seine graubraune Haut und seine dunkelgrünen blattartigen Haare ließen ihn in dem schwachen Licht vor Tagesanbruch wie einen Schatten erscheinen. »Donia? Du bist ohne die Wachen weggegangen.«
»Ich wollte für mich sein.«
»Wenigstens mich hättest du wecken sollen. Hier lauern zu viele Gefahren …« Er verstummte und hob seine mit Rinde überzogene Hand, als wollte er ihr Gesicht liebkosen. »Er ist ein Dummkopf.«
Donia wandte den Blick ab. »Keenan ist mir nichts schuldig. Was wir hatten …«
»Er hat dir alles zu verdanken, was er hat«, korrigierte Evan. »Du hast dich der letzten Königin entgegengestellt und alles für ihn aufs Spiel gesetzt.«
»Der eigene Hof geht immer vor.« Die Winterkönigin zuckte leicht mit den Schultern, doch Evan wusste, dass sie hier draußen spazieren ging, weil sie Keenan mehr und mehr vermisste. Sie sprachen nicht darüber und Donia versank deshalb auch nicht in dumme Melancholie. Sie liebte den abwesenden Sommerkönig, doch sie war einfach nicht die Sorte Frau, die an einem gebrochenen Herzen zu Grunde ging.
Zorn dagegen … das ist etwas anderes.
Sie zwang sich, den Gedanken beiseitezuschieben. Ihr Temperament war ja gerade der Grund, weshalb sie sich nicht mit der Hälfte von Keenans Aufmerksamkeit zufriedengeben konnte.
Oder von seinem Herzen.
Evan gab den anderen Wachen, die er mitgebracht hatte, ein Zeichen, und sie blieben zurück. Alle bis auf drei verschwanden auf sein Geheiß in der Nacht. Die restlichen drei, Weißdornmädchen mit weißen Flügeln, wichen ihr nach Möglichkeit nie von der Seite. Außer wenn ich weggehe, ohne es jemandem zu sagen. Ihre roten Augen leuchteten in der schummrigen Straße wie Signalfeuer und Donia empfand ihre Anwesenheit als tröstlich.
»Ich würde meine Pflicht vernachlässigen, wenn ich dich nicht daran erinnerte, dass es zu gefährlich ist, allein draußen herumzulaufen«, sagte Evan.
»Und ich wäre eine schwache Königin, wenn ich nicht mal ein paar Augenblicke für mich allein sein könnte«, erinnerte Donia ihren Berater.
»Ich fand dich noch nie schwach, auch nicht, als du noch keine Königin warst.« Er schüttelte den Kopf. »Der Sommerhof ist vielleicht nicht mächtig genug, um dich zu verletzen, aber Bananach wird von Tag zu Tag stärker.«
»Ich weiß«, sagte Donia mit
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