Sommermaerchen
wissender Blick ärgerte sie.
„Ich war nicht sicher, ob Sie bereits aufgestanden sind“, meinte er, kaum dass der Butler die Tür hinter sich schloss. Er bemerkte ihren unberührten Teller und lächelte.
„Mein Kopf birst gleich“, sagte Eloise verstimmt.
„Das tut mir sehr leid.“ Er setzte sich neben sie. „Nach meiner Erfahrung hilft es meist, gut zu frühstücken.“
„Ich bekomme keinen Bissen hinunter!“
Er bestrich eine Scheibe Toast mit Butter und reichte sie ihr. „Doch, doch. Geben Sie sich einen Ruck.“
Nach einem Toast und zwei Gläsern Wasser musste Eloise zugeben, dass sie sich tatsächlich besser fühlte. „Wie bin ich gestern Abend nach Hause gekommen?“, fragte sie zaghaft.
Jack schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. „Ich brachte Sie in Ihrer Kutsche her.“
„Danke. Ich kann mich nicht erinnern, wie ich Parham House verlassen habe.“
„Nein, weil Sie schliefen. Ich musste Sie tragen.“ Er lächelte, als sie ihn entsetzt ansah. „Ich wartete natürlich, bis die meisten Gäste fort waren, und ließ dann durchblicken, dass Sie unpässlich gewesen seien. Trotzdem wird die letzte Eskapade der Flatterhaften Witwe heute Morgen in aller Munde sein.“
Wieder ließ sie den Kopf in die Hände sinken und stöhnte leise. „Ich verdiene Ihre Freundlichkeit nicht.“
Er stellte die Kaffeetasse ab. „Elle ...“
„Nein, bitte.“ Sie hob den Kopf. „Sagen Sie nichts. Ich bin heute nicht in der Verfassung, mit Ihnen zu sprechen.“
Behutsam griff er nach ihrer Hand. „Schön. Aber bald müssen wir miteinander reden. Zwischen uns darf es keine Missverständnisse geben.“
Seine Anteilnahme war ein bittersüßer Trost. Denn sobald es keine Missverständnisse mehr zwischen ihnen gab, er also alles wusste, würde er sie nie mehr wiedersehen wollen.
„Ja, gut“, flüsterte sie bedrückt. „Aber nicht heute.“
Es klopfte, und Noyes kam mit einer Nachricht und einer Schachtel herein. „Dies ist für Sie gekommen, Mylady.“
„Danke, Noyes. Legen Sie die Schachtel bitte auf den Stuhl dort drüben.“
„Was ist das?“, fragte Jack, nachdem der Butler gegangen war.
Sie reichte ihm das Blatt Papier. „Sir Ronald ist zurück.“ Die Schultern straffend, stand sie auf, um die Schachtel zu öffnen.
Jack überflog inzwischen den Brief. „Er wird also heute Abend in den Lanchester Rooms sein und auf Sie warten“, sagte er missbilligend. „Es findet einer der öffentlichen Maskenbälle statt.“
„Ich weiß.“ Eloise nahm den Deckel von der Schachtel und sah die elegant bedruckte Karte auf weißem Seidenpapier. „Er hat mir eine Eintrittskarte geschickt. Und anbei liegt wohl das Kostüm, das ich bei der Gelegenheit tragen soll.“
Jack kam herüber. Während er die Karte studierte, holte sie ein schweres Kleid heraus. Die weiten Röcke aus grüner und orangefarbener Seide reichten bis zum Boden.
„Es ist im alten Stil“, meinte sie. „Mit geschnürtem Mieder und weiten Ärmeln bis zu den Ellbogen.“
„Sehr alter Stil“, bemerkte Jack. „Wie man sich vor über hundertfünfzig Jahren zur Zeit der Stuarts kleidete. Sehen Sie die Stickerei hier unten.“ Er hob den Unterrock hoch. „Orangen. Sie sollen als Nell Gwynn gehen.“
Eloise bekam einen Augenblick keinen Ton heraus. „Ich soll als eine ...“
„Eine Orangenverkäuferin“, warf Jack schmunzelnd ein, obwohl Nell Gwynn das nur am Anfang ihrer illustren Karriere als Mätresse des Königs gewesen war. „Ich muss zugeben, Sir Ronald verfügt über Humor.“
„Abscheulicher Mann!“ Abrupt ließ Eloise das Kleid los.
„Dann gehen Sie nicht.“
Sie seufzte. „Aber welche Wahl bliebe mir denn? Sie haben seinen Brief gelesen.
Wenn ich nicht gehe, schickt er das Tagebuch am folgenden Morgen an die Zeitungen.“
Jack nahm ihre Hand. „Soll er doch! Ich bringe Sie noch heute Nacht von hier fort, wenn Sie wollen. Ich kann Sie beschützen, Elle.“
Gerührt strich sie ihm über die Wange. „Dann würde ich Sie ebenfalls in den Skandal verwickeln, Jack. Außerdem ist da noch Alex. Er ist noch nicht kräftig genug, um zu reisen.“
Er ließ sie los. „Natürlich können Sie ihn nicht zurücklassen.“
Sein kühler Ton tat ihr weh. „Nein, das kann ich nicht.“
„Und Sie wollen mir auch nicht verraten, was es ist, das auf keinen Fall bekannt werden darf.“
Ohne ihn anzusehen, schüttelte sie den Kopf.
Er seufzte. „Nun gut, aber Sie dürfen nicht allein auf den Maskenball gehen. Ich komme mit
Weitere Kostenlose Bücher