Sommermaerchen
irgendwann vielleicht sogar glauben.
31. KAPITEL
Wenige Tage später sprachen Charles und Beatrice immer noch nicht miteinander.
Selbst die Mahlzeiten verbrachten sie schweigend.
Das Einzige, was sich inzwischen verändert hat, ist, dass meine Familie Charles inzwischen mag, dachte Beatrice verbittert, während sie die Straße zum Dorf hinuntereilte. Diese Tatsache ärgerte sie so sehr, dass sie inzwischen allen aus dem Weg ging. Sie verbrachte die Tage mit langen Spaziergängen und kam nur zu den Mahlzeiten zurück. Ihr Notizbuch war ihr ein ständiger Begleiter, bot ihr Kummer ihr doch auch Inspiration für die romantischen Abenteuer, die sie auf Papier bannte.
Beatrice sah sich nach einem bequemen Platz um, erblickte einen Baum und ließ sich in dessen Schatten nieder. Dann schlug sie das Notizbuch auf und begann zu schreiben. Sie feilte gerade an einem Satz, als sie plötzlich das Geräusch eines knackenden Astes hinter sich vernahm. Sofort sprang sie auf. Gleich darauf stürmte ein Rudel Jagdhunde bellend aus den Büschen und raste an ihr vorbei die Straße hinunter ins Dorf.
Beatrice fluchte leise. Die Hunde ihres Vaters waren seit mehreren Monaten nicht mehr ausgebüxt – bis jetzt. Sie würde sie einfangen müssen, sonst wäre die Hölle los. Die Röcke raffend rannte sie hinter ihnen her.
Vor lauter Eile bemerkte sie nicht, dass ihr Notizbuch noch am Fuße des Baumes lag.
Eleanor und Helen hatten beschlossen, das schöne Spätsommerwetter zu genießen und gemeinsam einen Spaziergang ins Dorf zu unternehmen. Unterwegs plauderten sie über die „Pattsituation“, wie Eleanor den Streit zwischen Beatrice und Charles bezeichnete. Sie fühlten sich ihrer Schwester gegenüber wie Verräter, weil sie Charles inzwischen recht gern mochten.
„Glaubst du, es ist Liebe, Ellie?“, fragte Helen.
„Vermutlich, aber ich hoffe, wenn ich verliebt bin, werde ich mich nicht so töricht aufführen. Wenn Beatrice nur nicht so stolz und halsstarrig wäre ...“
Helen kickte einen Kiesel. „Ich wünschte, sie wäre nicht so. Charles hat sich doch entschuldigt.“
Eleanor schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht.“
„Aber jeder kann sehen, dass er sie liebt.“
„Beatrice offensichtlich nicht.“
„Narren, alle beide“, murmelte Helen.
„Was ist das da?“, fragte Eleanor plötzlich und blieb abrupt stehen. „Das rote Ding im Gras?“
Helen blinzelte. „Sieht aus wie ein Buch.“
„Ja, nicht wahr?“
„Glaubst du, es ist ...?“ Helen grinste übers ganze Gesicht.
Eleanor nickte. „Ja, Helen.“
Die Mädchen rannten zu dem Baum. Seit Jahren plagte sie die Neugier – jetzt endlich war die Gelegenheit gekommen, herauszufinden, was Beatrice ihrem geheimen Tagebuch anvertraut hatte. Einen Moment zogen und zerrten beide daran.
Schließlich gelang es Eleanor, das Buch ihrer Schwester zu entreißen. Sie setzte sich damit unter den Baum. Helen las über ihre Schulter mit.
Eine Stunde später schloss Eleanor seufzend das Buch.
„Was für ein ausgemachter Unsinn“, meinte Helen.
„Also mir gefiel es“, erwiderte Eleanor. „Ich dachte, es sei nur ein Tagebuch, dabei ist es ein Roman. Und ich glaube, es bedeutet mehr, als es den Anschein hat. Schau hier: ‚Seine durchdringenden grünen Augen und sein dunkles Haar ...‘ Verstehst du, Helen? Charles hat grüne Augen und dunkles Haar.“
„Nun ja“, sagte Helen und rümpfte die Nase.
Eleanor blätterte zu einer anderen Seite. „Oder hier, das ist noch besser: Zum ersten Mal sah Drake wie der Pirat aus, der er in Wahrheit war. In schwarzen Kniehosen und einem weiten weißen Hemd stand er mit gespreizten Beinen an Deck seines Schiffes.
Bevor sie wusste, wie ihr geschah, hatte er sie am Arm gepackt und an sich gezogen.
‚Du gehörst zu mir‘, sagte er schroff. Dann trug er sie in ein Boot und ruderte mit ihr zu seinem ...“
„Oh, bitte hör auf“, bat Helen. „Einmal reicht.“
Eleanor gab ihrer Schwester einen Klaps. „Ich höre ja schon auf, weil hier nichts weiter steht. Was glaubst du, wird passieren?“
Helen gähnte gespielt. „Er entführt sie und bringt sie zu seinem Schiff zurück, wo er ihr natürlich seine Liebe beweist.“
„Das glaube ich auch, Helen.“
„Oh, wie vorhersehbar. Warum konnte ich keine Brüder haben, anstelle von euch beiden dummen Gänsen.“
„Hör doch erst einmal zu, ich habe eine Idee.“
Eleanor legte das Buch dorthin zurück, wo sie es gefunden hatten. Dann eilten die beiden Mädchen, die
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