Sommermond
Doch er schämte sich nicht. Im Gegenteil. Es war ihm egal. Er hatte nicht mitbekommen, was passiert war. Er erinnerte sich nur, dass er dringend auf Klo gemusst hatte. Vermutlich war es in den wenigen Sekunden seiner Bewusstlosigkeit zu dem Malheur gekommen.
„Fickt euch doch …“, nuschelte er durch seine angeschwollenen Lippen. Sein Gesicht schmerzte bei jeder Bewegung. Warmes Blut quoll aus seiner Nase und tropfte auf seine Jacke.
Der Typ, der sich als Boss aufspielte, lachte schallend auf.
„Die scheiß Schwuchtel hat sich vollgepisst!“, lachte er. „Reißt die Fresse weit auf, aber pisst sich bei ‘n bisschen Prügel in die Hose.“
Alex blickte nicht auf. Er spürte keinerlei Emotionen in sich. Er saß einfach nur da und wartete darauf, dass die Kerle ihn endlich in Ruhe ließen.
„Selber ‘ne Schwuchtel …“, murmelte er.
„Bitte?“, fragte ihn der vermeintliche Ersatzboss. Er sprach ruhig, aber fassungslos.
Alex biss sich auf die Zähne. Dann öffnete er seinen Mund und leckte sich das Blut von den Lippen. Ein letztes Mal nahm er all seinen Mut zusammen und blickte hasserfüllt auf.
„Ich sollte dir einen blasen“, erwiderte er heiser. „Also bist du auch ‘ne beschissene Schwuchtel!“
Als er ausgesprochen hatte, wusste er, dass er einen Fehler gemacht hatte. Angst hatte er allerdings nicht. Sein Kopf war leer, sein Körper wie betäubt. Er sah, wie die Hand des Südländers in seiner Hosentasche verschwand und einen schwarzsilbernen Gegenstand hervorzog. Mit einer gekonnten Bewegung ließ er eine lange, scharfe Klinge herausschnellen und bewegte sich dabei auf Alex zu. Der Blonde hatte geglaubt, es würde nicht mehr schlimmer kommen. Doch jetzt, wo er das Messer sah, verließ ihn jegliche Vernunft. In seinem Körper rauschte Adrenalin und trieb ihn zum natürlichen Selbstschutz an. Die Panik überdeckte seine Schmerzen, so dass er sich tatsächlich wieder bewegen und wehren konnte. Er wusste nicht, was der Typ vorhatte, befürchtete aber, mit der scharfen Klinge entstellt zu werden.
„Haltet ihn fest!“, befahl der Typ und wandte sich an seine Komplizen.
Sie gehorchten wortlos. Der dünnere von ihnen mied jeglichen Blickkontakt zu Alex. Er und sein kräftiger Kumpel krallten sich in Alex‘ Oberarme und drückten ihn fest gegen die Wand. Alex trat wie wild um sich, versuchte sich loszureißen und nahm seinen Kopf so weit zurück, wie er nur konnte. Angstschweiß bildete sich auf seiner Stirn. Er wollte die Augen schließen, konnte aber nicht wegsehen. Der Boss bückte sich zu ihm herunter und streckte das Messer in Alex‘ Richtung. Dann nahm er es wieder zurück, benutzte es kurz als Spiegel, um sich etwas Dreck aus dem Gesicht zu wischen, und blickte anschließend grinsend zu Alex auf. Offensichtlich spielte er mit dessen Angst. Der Blonde zitterte und versuchte noch immer, den Kerl von sich wegzutreten. Je mehr Kraft er aufwand, umso fester hielten ihn die beiden anderen. Ihr Boss packte Alex an den Haaren und zerrte seinen Kopf in den Nacken. Dann hob er sein Messer und drückte die Klinge in seinen Hals.
Alex hielt sofort still und atmete flach. Er wollte keine falsche Bewegung machen, die ihm schlimmstenfalls das Leben kosten könnte. Panisch starrte er sein Gegenüber an und wagte es nicht, zu schlucken. Der Druck an seinem Kehlkopf verursachte einen Würgereiz, den er mühsam unterdrücken musste. Der Typ leckte sich über die Lippen. Es sah fast aus, als würde ihn seine Rolle anmachen. Dann nahm er das Messer von Alex‘ Kehle und begann mit der scharfen Klinge bedrohliche Linien über Alex‘ Lippen und Wangen zu ziehen.
„Du nimmst den Mund wirklich voll“, flüsterte er dabei, „und machst einen auf ganz stark. Aber das macht dich noch lange nicht zu ‘nem Kerl.“ Er drehte das Messer und drückte die Spitze fest in Alex‘ Wange – bedacht, es gleich kräftig herunterzuziehen, um eine tiefe Schnittwunde zu hinterlassen.
Alex gab auf. Er kniff die Augen zusammen und hoffte, dass die Qualen schnell vorbei sein würden. Angespannt wartete er. Doch es geschah nichts. Als er seine Augen nach einigen Sekunden öffnete, starrte der Typ ihn noch immer schäbig grinsend an.
„Ein richtiger Kerl pisst sich nämlich nicht in die Hose“, fuhr er fort. „Um ein Mann zu sein, muss man erst mal wie einer aussehen.“
Alex‘ Brustkorb hob und senkte sich aufgeregt. Er atmete stockend. Seine Hände krallten sich in den dreckigen Steinboden.
„Also machen wir
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