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Sommermond

Titel: Sommermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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schüttelte er den Kopf, bevor er Juans Arm noch fester packte. „Guck mich doch an!“, fuhr er fort. „Guck mich an! Guck dir an, was ihr aus mir gemacht habt!“
    Während er sprach, begann er zu zittern. Sein gequältes Grinsen verblasste. Tränen stiegen in seine Augen. Er blickte dem jungen Spanier ein letztes Mal fest in die Augen, bevor er von seinem Arm abließ und fast zeitgleich zu heulen begann. Mit einem Mal fiel alles von ihm ab. Seine erzwungene Emotionslosigkeit zerbrach, seine schützende Mauer stürzte in sich zusammen.
    „Fuck …“, nuschelte Juan.
    Alex zog seine Beine an sich heran und vergrub das Gesicht hinter seinen Knien. Unzählige Tränen überkamen ihn. Er konnte sich nicht dagegen wehren. Mit einem Mal begriff er die Fakten und realisierte, dass er in einer Sackgasse festsaß. Er wusste, dass er tun musste, was immer die Kerle von ihm verlangen würden.
    Zwischen seinen Tränen schnappte er aufgeregt nach Luft. Seine Finger krallten sich in den Stoff seiner Jeans. Er schwitzte und gleichzeitig war ihm so kalt, dass er zitterte.
    „Ich wollte das nicht“, flüsterte Juan. „Das verstehst du nicht. Die machen das gleiche mit mir, wenn ich nicht tue, was die sagen.“
    Alex reagierte nicht. Er nahm die Worte auf und vergaß sie gleich wieder. Sein ganzer Körper schmerzte. So sehr, dass er sich bewusstlos wünschte. Dann spürte er plötzlich eine Hand auf seinem Kopf. Erst regte er sich nicht, doch dann blickte er mit tränenverschmiertem Gesicht zu dem jungen Spanier auf.
    „Scheiße, was hab‘ ich nur gemacht?“, nuschelte Juan.
    Alex leckte sich die Tränen von den Lippen und starrte ihn an. Juans Hand ruhte jetzt auf seiner Schulter. Alex wusste nicht, was plötzlich in ihn fuhr. Er schob es auf seinen verzweifelten Zustand, als er sich - wie von einer fremden Macht gesteuert - nach vorn beugte und Juan in die Arme fiel. Der hielt seine Hände einen Moment hilflos neben sich ausgestreckt, bevor er sie schließlich auf Alex‘ Rücken legte.
    „Bitte hol mich hier raus!“, flehte Alex und vergrub sein Gesicht in dessen Schulter. „Bitte!“ Er stockte, bevor er weinend fortfuhr. „Bitte hilf mir!“
    „Ich kann nicht“, flüsterte Juan. „Es tut mir leid, aber ich kann dir nicht helfen.“
    Alex drückte sich von ihm weg. Er krallte seine Hände in dessen Hemd und rüttelte an ihm. Juan war die letzte Hoffnung, an die er sich klammerte.
    „Bitte!“, flehte er erneut. Seine Stimme war so heiser, dass er sich selbst kaum verstand. Mit Blut und Dreck vermischte Tränen hingen an seinen Lippen. „Bitte! Mein Vater hat Geld! Er kann dir helfen!“
    Juan schüttelte den Kopf. „Geld spielt hier längst keine Rolle mehr.“
    Alex starrte ihn an. Die Worte hallten in ihm wider und lösten im Bruchteil einer Sekunde ein Gefühl von kurzzeitiger Panik und anschließender Leere in ihm aus. Wenn Juan recht hatte und Geld nicht mehr das war, worum es ging, was dann?
    „Was wollen die von mir?“, fragte er. Er bezog Juan absichtlich nicht mit ein. Nebenbei wischte er sich den Rotz von der Nase und löste seinen festen Griff.
    „Ich weiß es nicht“, erwiderte Juan. „Ich weiß nur, dass du tun musst, was immer die von dir verlangen. Die werden dich so lange foltern, bis du gehorchst … Irgendwann machen die dann bei deiner Familie weiter, deinen Freunden.“ Er stockte und senkte den Blick. „Notfalls so lange, bis du nichts mehr hast, für das sich dein altes Leben lohnt.“
    Alex nahm die Worte auf. Die Leere in seinem Inneren wuchs kontinuierlich. Sein Mund stand offen. Die letzten Tränen tropften zu Boden.
    „Sagst du das nur, weil –“, begann er, wurde jedoch von Juan unterbrochen.
    „Ich bin nicht wie Diego“, sagte er. „Ich spiel‘ kein Spiel. Ich sag dir wie’s ist. Du kannst mir einfach glauben oder es lassen. Was anderes bleibt dir nicht übrig.“
    Alex senkte den Blick. Er nickte geistesabwesend.
    „Danke“, nuschelte er dann. Die Tränen trockneten in seinem Gesicht. Er ließ von Juan ab und kroch rückwärts zur Wand zurück. Als er sein Bein wieder anzog, kniff er seine Augen vor Schmerzen zusammen und fasste sich an den verletzten Knöchel. Juan folgte ihm und befreite ihn wortlos aus dem linken Schuh. Er krempelte die Socke etwas herunter und tastete den Fuß ab. Als er eine bestimmte Stelle berührte, schrie Alex auf.
    „Das sieht nicht gut aus“, sagte Juan. Dabei fiel Alex das erste Mal bewusst auf, dass in seiner Stimme kein Akzent

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