Sommermond
doch erst mal ‘nen richtigen Kerl aus dir“, meinte der Typ noch, bevor er das Messer abrupt aus Alex‘ Gesicht zog, nach einem Büschel blonder Haare griff, die Messerklinge dicht an den Kopfansatz drückte und es in einem schnellen Wisch nach vorn zog. Alex‘ Haare fielen zu Boden. Einige sammelten sich auf seinem Schoß. Trotzdem versuchte er stark zu bleiben und so zu tun, als ob ihm die Misshandlungen nichts ausmachten. Hasserfüllt starrte er zum jungen Spanier. Er wollte ihm nicht den Gefallen tun, seine Miene zu verziehen.
„Das gefällt dir auch noch, was?“, fragte der Typ. „Hat Papi dir etwa kein Geld für ‘nen Friseur gegeben?“
Sein kräftiger Komplize lachte dämlich auf.
„Oder endete der Friseurbesuch in ‘nem Hinterzimmer, in dem du dich von ‘ner Tunte hast ficken lassen?“
Alex reagierte nicht. Unmengen von Adrenalin rauschten in seinen Adern, doch er wusste, dass er sich nicht wehren konnte. Er hatte keine Chance. Der Spanier nahm weitere Haarsträhnen, schnitt sie beliebig ab und grinste dreckig. Alex hätte ihm am liebsten mitten ins Gesicht gerotzt, riss sich aber zusammen. Er hatte ausreichend zu spüren bekommen, welche Konsequenzen jegliche Art von Gegenwehr mit sich brachten. Der Typ riss noch zwei weitere Büschel nach oben, trennte sie ab und schien schließlich fertig zu sein.
„Mann, siehst du Scheiße aus!“, zischte er dann und lachte schäbig.
Alex hielt seinem festen Blick stand. Die Griffe an seinen Armen lockerten sich. Für einen kurzen Moment überlegte er, sich loszureißen, entschied sich aber letztendlich dagegen. Er hatte ohnehin nicht mehr genügend Kraft, sich zu wehren. Also blieb er starr sitzen und beobachtete, wie der Spanier sich aufrichtete, die Klinge zurückschnallen ließ und zur Tür schritt.
„Juan!“, rief er. „Du machst den Dreck weg. Wir wissen alle, dass er so was nicht gern sieht.“
Alex wusste, von wem sie sprachen. Sie redeten von ihrem Boss, den sie bewusst nicht beim Namen nannten. Der sogenannte Juan nickte wortlos, während sich sein fetter Kumpel aufrichtete.
„Leihst du mir die Knarre?“, fragte Juan ihn.
Der Dicke glotzte ihn dumm an und warf anschließend einen Blick zum anderen Spanier.
„Die wirst du nicht brauchen“, sagte dieser und nickte in Alex‘ Richtung. „Guck ihn dir doch an!“
Alex war zwar zu keinem klaren Gedanke imstande, empfand es aber dennoch als seltsam, wie Juan behandelt wurde.
„Komm!“, rief der Spanier und machte dazu eine auffordernde Geste. Sein fetter Untertan gehorchte und trat ebenfalls zur Tür. Er drehte am Türknopf und öffnete sie.
„Schließ ab, wenn du fertig bist!“, meinte der Kerl noch zu Juan.
Der Angesprochene nickte. Die beiden anderen wandten sich endgültig um und verließen den Raum.
Alex blieb erschöpft, aber erleichtert zurück. Zwar hatte er irrsinnige Schmerzen, lebte aber noch und war nicht verstümmelt worden. Vor Juan hatte er keine Angst. Der Kerl war harmlos.
Als die Tür hinter den anderen zufiel, versuchte Alex sich wieder hinzusetzen. Dabei spürte er jeden einzelnen Knochen in seinem Körper. Das Blut an seiner Nase war derweilen getrocknet. In seinem Fuß pochte es und seine Knie schmerzten bei jeder Bewegung. Schmerzerfüllt verzog er sein Gesicht und stützte sich erschöpft neben sich ab. Ein paar seiner abgeschnittenen Haare hafteten sich dabei an seine blutverschmierten Hände. Er wagte es nicht, über seinen Kopf zu fühlen.
Juan stand unsicher im Raum. Als Alex nach einigen Sekunden zu ihm aufblickte, sah er, wie verstört der etwa Gleichaltrige aussah.
„Was glotzt du so dumm?“, zischte Alex.
Juan fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und senkte den Blick. Dann bückte er sich wortlos und begann damit, die einzelnen Haarbüschel mit seinen Händen zusammenzufegen. Alex beobachtete ihn. Als Juan dicht bei ihm ankam, um die Haare um ihn herum aufzusammeln, hielt Alex ihn am Arm fest. Juan erstarrte, ließ den Dreck sofort fallen und blickte zu ihm auf.
„Und?“, fragte Alex. „Wie seh‘ ich aus?“ In seiner Stimme triefte Sarkasmus. „Seh ich gut aus? Seh ich jetzt aus wie ‘n starker Kerl?“
Juan blickte ihm in die Augen. Kaum merklich schüttelte er den Kopf.
„Es tut mir leid“, flüsterte er.
Alex lachte höhnisch. Schon wieder bemerkte er, wie seine Verzweiflung allmählich ein wahnsinniges Ausmaß annahm.
„ Es tut dir leid? “, wiederholte er ihn in einer höheren Tonlage als üblich. Fassungslos
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