Sommermond
einmal tief Luft.
Aber eines hatte Alex tatsächlich geschafft: Sein dämliches Grinsen war nun verschwunden. Mit einem Mal sah der Spanier ernst aus und wirkte erst mit diesem Blick richtig bedrohlich.
„Es ist ganz einfach“, sagte der Spanier und sprach dabei schnell und sachlich. „Entweder du tust das, was ich dir sage, oder ich lass erst deinen Freund und anschließend deinen Vater abknallen.“ Er pausierte kurz und strich sich ein letztes Mal über den von Alex zerzausten Kragen. „Soweit klar?“
Alex starrte ihn an. Er brauchte nichts zu erwidern. Das wusste er.
Der Spanier holte erneut Luft, während sein Handlanger die Pistole noch fester gegen Alex‘ Kopf presste.
„Ein erbärmliches Konstrukt aus russischen Drogenbossen, Drogendealern und Drogenjunkies“, fuhr der Spanier fort und betonte die aufgezählten Begriffe dabei besonders hart, „hat es gewagt, sich mit mir anzulegen.“
Alex hörte aufmerksam zu. Für einen Moment vergaß er seine Situation und spürte eine Spur von Neugierde in sich aufkommen. Er kam sich fast vor wie ein Kinozuschauer, der nun, nachdem ihn die ersten 90 Minuten darauf vorbereitet hatten, auf den großen Clou wartete.
„Und du wirst dich in diese Möchtegernmafia einschleusen. Verstanden?“
Alex‘ Verstand wollte nicken, sein Körper lieber den Kopf schütteln. Das Ergebnis dieses Zwiespalts war keine Reaktion. Er stand mit halb geöffnetem Mund da und versuchte die wenigen Worte, die sein zukünftiges Schicksal zu besiegeln drohten, zu verdauen.
„Ich soll was ?“, brachte er heiser hervor.
Der Spanier ignorierte ihn.
„Ich will nur einen Namen“, fuhr er stattdessen fort. „Einen Namen und ein Gesicht.“
„Einen Namen von wem ?“, hakte Alex nach.
Der Spanier hielt kurz inne. Für den Bruchteil einer Sekunde senkte er seinen Kopf, bevor er mit noch festerem Blick wieder aufsah.
„Von dem Mann, der meinen Bruder ermordet hat.“
Alex schluckte. Verunsichert starrte er seinen Feind an, in dessen Augen sich zum ersten Mal etwas Menschliches widerspiegelte. Es hielt nur einen Augenschlag lang an, der aber genügte, um einen kurzen Blick hinter die Fassade zu erhaschen. Und dort kauerte genau das, was jeder Mensch besaß: Gefühle. Beim Spanier existierten sie nicht in einer sonderlich ausgeprägten Form, aber waren dennoch markant genug, um erkannt zu werden. Es waren Liebe und Hass, die sich wie Gut und Böse bekriegten und dessen in der Schlacht entstandenes, unbändiges Ergebnis nur eines war: Rache.
Alex wusste nicht, wie er reagieren sollte. Angespannt stand er da, spürte den Pistolenlauf an seinem Hinterkopf und hielt die Luft an. Erst als der Spanier sich wieder regte, wagte auch er es, weiter zu atmen.
Die neuen Informationen überforderten ihn. Er wusste nicht, welche er zuerst verarbeiten sollte. Jene, die ihm unmissverständlich zu verstehen gab, dass er sich auf eine Art Drogenmafia einlassen sollte, oder die, die sich mit dem Grund dieses geplanten Rachezugs auseinandersetzte.
„Eigentlich war das Diegos Job“, sagte der Spanier.
Seine Augen sahen wieder normal aus. Alles, was ihn noch vor wenigen Sekunden für einen kurzen Moment mit anderen Menschen verbunden hatte, war verschwunden und hatte nichts als die altbekannte Leere hinterlassen, durch die man nicht hindurchsehen konnte.
„Und … Und nur weil der …“, stotterte Alex. Seine Stimme klang rau. Er musste sich räuspern, bevor er weitersprechen konnte. „Einen Scheiß werd‘ ich tun!“
Der Spanier warf ihm einen festen Blick zu, bevor er eine Geste in Richtung des älteren Handlangers machte.
„Rafael, bitte!“, sagte er dazu und klang dabei schon fast genervt.
Der Angesprochene reagierte. Er zog seine Waffe von Alex‘ Kopf und riss ihn zu sich herum. Alex starrte ihn ängstlich an. Er wusste, dass er zu weit gegangen war. Der Kerl, dessen Namen er nun kannte, drängte ihn nach hinten und drückte ihn gegen die Wand. Alex wehrte sich nicht. Er hatte gelernt, dass das nur zu weiteren Problemen führte.
Rafael holte samt Knarre aus und schlug ihm hart ins Gesicht. Dabei knallte Alex mit dem Hinterkopf gegen die Steinmauer und schrie reflexartig auf. Ein lautes Dröhnen füllte seinen Kopf und ließ ihn kurz schwarz vor Augen werden. Doch bevor er unter seinem Körpergewicht zusammensackte, wurde er von Juan aufgefangen.
„Was soll der Scheiß, Mann?“, wurde dieser daraufhin von Rafael angefahren.
„Seht ihr nicht, dass er nicht mehr kann?“,
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