Sommermond
wirkte dadurch um ein Vielfaches erhabener.
„Mann!“, entgegnete Alex. Seine Stimme zitterte und klang verzweifelt. „Ich hab‘ euch das beschissene Geld gegeben! Ich schwör‘s!“
Der Spanier zuckte unberührt mit den Schultern.
„Diego ist weg und damit auch das Geld“, erwiderte er trocken.
Alex musste selbstquälerisch lachen.
„Ja, dann ist’s doch klar!“, sagte er dazu. „Der Wichser macht sich jetzt ‘n geiles Leben mit meiner Kohle.“
„ Meiner Kohle“, korrigierte ihn der Spanier.
Die festen Worte trafen Alex wie ein Blitzschlag. Er zuckte kurz zusammen, bevor er seinen Blick senkte. Er musste nachdenken und das schnell. Doch unter Druck stehend, schaffte er es zu keinem klaren Gedanken und blickte schließlich wieder auf.
„Ihr könnt mich hier nicht ewig festhalten“, sagte er. Dieses Mal sprach er ruhig und kraftlos. Gerade so, als hätte ihn schon jetzt jeglicher Mut verlassen.
„Das haben wir auch nicht vor“, gab der Spanier zurück. Ein dreckiges Grinsen zog über seine Lippen. „Du erfüllst einen kleinen Auftrag von zu Hause aus.“ Er nickte kurz in die Richtung seiner beiden Handlanger. „Natürlich unter strengster Beobachtung, versteht sich.“
Alex lauschte den Worten und konnte ihnen kaum folgen. Sie waren so klar, aber vermengten sich in seinem ausgelaugten Hirn zu einer breiigen Masse, dessen Buchstabensalat er nicht mehr entschlüsseln konnte.
„Und wenn du fertig bist“, fügte der Spanier noch hinzu, „lassen wir dich in Ruhe. Dann sind wir quitt.“
Diese Worte hingegen blieben hängen. Alex‘ Verstand schrieb sie in großen Lettern auf ein Stück Holz und hämmerte es vor sein geistiges Auge. Er las sie wieder und wieder. Sie wurden eins mit seinen Gedanken. Dennoch schenkte er ihnen keinen Glauben. Das konnte er nicht.
„Ich werdet mich nie in Ruhe lassen“, brachte er verbittert hervor und schüttelte bekräftigend den Kopf. „Nie. Das hat Diego mir klar zu verstehen gegeben.“
Der Spanier lachte schallend auf. Er lachte und lachte und stach mit seinem Verhalten derart seltsam in dieser Szene hervor, dass Alex‘ Gesicht irritierte Züge annahm. Erst nach einer Weile beruhigte sich der Boss wieder und legte eine Hand auf seine Brust. Zusammen mit dieser Geste beugte er sich majestätisch vor.
„Ich gebe dir mein Wort“, sagte er. Seine Darbietung war so glaubwürdig, seine Stimme so ehrlich, dass Alex sich erst gewaltsam in die Realität zurückzerren musste, bevor er reagieren konnte.
„Ich scheiß‘ auf dein Wort!“, entgegnete er und spuckte die Worte verächtlich aus.
Der Spanier hob beide Hände und zog seine Schultern hoch. Dazu wieder ein dreckiges Grinsen.
„Du hast keine andere Wahl, mein Lieber.“
„Bevor ich irgend’n Scheiß tu, lass ich mich lieber abknallen“, gab Alex zurück.
Er meinte die Worte nicht so, wie er sie sagte. Sein Überlebenswille war viel zu stark. In diesem Punkt war der Mensch genauso Tier wie alle anderen Lebewesen. Ein Tier, das für sein eigenes Überleben töten würde.
„Denkst du so auch über deinen Freund und deinen Vater?“, fragte der Spanier.
Alex öffnete seinen Mund, um etwas zu erwidern. Dann schloss er ihn wieder. Fast zeitgleich korrigierte er seine erst eben aufgestellte Theorie und fügte seinem halbwissenschaftlichen Ansatzpunkt hinzu, dass es doch eine Sache gab, die stärker war als der animalische Überlebenstrieb. Und das war Liebe.
„WICHSER!“, brüllte Alex, stieß sich abrupt von der Wand und stürzte sich auf den Spanier.
Dabei war er so schnell gewesen, dass ihm keiner zuvorkommen konnte. Wütend krallte er sich in den Hemdkragen des Südländers und funkelte ihn hasserfüllt an. Doch der reagierte nicht. Stattdessen streckte er seine Arme ergebend zu beiden Seiten aus und grinste noch immer. Alex rüttelte an ihm. Am liebsten hätte er ihm dieses unerträgliche Grinsen aus dem Gesicht geschlagen. Doch schon im nächsten Moment spürte er einen festen Druck an seinem Hinterkopf. Dazu ein leises Klicken, das auf das Entsichern einer Pistole schließen ließ. Alex zog seine verkrampften Finger vom Hemdkragen und wich ein paar Schritte rückwärts. Wegen des Pistolenlaufs an seinem Kopf ging er bedacht langsam.
Der Spanier zog sich den Anzug glatt und fegte sich mit gespreizten Fingern über die Schultern. Gerade so, als ob er sie von Dreck befreien wollte. Dann räusperte er sich und sah wieder auf. Gekonnt ignorierte er Alex‘ Tobsuchtsanfall und holte
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