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Sommermond

Titel: Sommermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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sehen!“, rief er dazu. „Nimm’s mir nicht übel!“
    Ben sah ihnen mit irritiertem Gesichtsausdruck nach. Erst stöhnte er genervt auf, dann musste er aber doch leise lachen. Gleich darauf schüttelte er schmunzelnd den Kopf. Wirklich böse konnte er Max nicht sein. Er war ein Chaot. Diese Eigenschaft war ihm offenbar in die Wiege gelegt worden.
    Nachdenklich rollte er das Papier in seinen Händen strammer und machte sich dann ebenfalls auf den Weg zum Fahrstuhl. Zwar hatte er mit dem Gespräch nicht das erreicht, was er hatte erreichen wollen, und wusste daher noch immer nicht, was er von seiner verwirrten Gefühlswelt halten sollte, aber eines hatten seine beiden Freunde dennoch geschafft: Sie hatten ihn zum Lachen gebracht.
    ***
    Mittlerweile war es nach 17 Uhr. Ben hatte sich die Skripte des heutigen Seminars von Max besorgt und sie handschriftlich in seine Unterlagen übertragen. Dadurch nahm er den Inhalt auch geistig auf, statt alles nur blind zu kopieren. Danach hatte er sich etwas ausgeruht und war noch einmal eingeschlafen. Das passierte ihm in letzter Zeit ständig. Vermutlich lag das am fehlenden Sport. Die körperliche Passivität machte ihn von Tag zu Tag müder.
    Nun saß er auf seinem Bett und lehnte mit dem Rücken gegen dessen Ende, während er Max‘ herumliegende Unterlagen sortierte und zu einem festen Stapel zusammenklopfte. Anschließend legte er sie auf seinen Nachtschrank. Als er seinen Blick dabei durch sein Zimmer schweifen ließ, sah er seine schwarze Akustikgitarre. Irgendwas in seinem Inneren versuchte ihn zu drängen, aufzustehen, sie zu sich zu holen und ein bisschen zu spielen. So, wie er es früher oft getan hatte. Dieser Wille war kurz davor, ihn zu überzeugen, als plötzlich das Bild des Kunststudenten in seinen Kopf zurückschoss und ihn völlig durcheinander brachte. Wieder spürte er das mulmige Gefühl in seinem Magen, von dem ihm augenblicklich übel wurde. Dadurch verging ihm die Lust danach, Gitarre zu spielen. Stattdessen seufzte er laut auf, legte seinen Kopf in den Nacken und lehnte ihn gegen die Wand. Was war nur mit ihm los? Er kam sich fast postpubertär vor. Vielleicht spielte ihm sein Verstand auch nur einen Streich und wollte ihn testen. Vermutlich wollte er herausfinden, ob die Beziehung mit Alex über die Entfernung eine Chance hatte. Vielleicht testete ihn auch nicht sein Verstand. Vielleicht testete er sich unbewusst selbst und setzte sich deshalb kritischen Situationen aus, mit denen er umzugehen lernen musste, wenn er weiterhin mit Alex zusammenbleiben wollte. Treue und Vertrauen waren die wichtigsten Bestandteile einer Fernbeziehung. Eigentlich einer jeden Beziehung.
    Während er so darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass er das ziemlich einseitig tat. Er ging davon aus, dass er und Alex noch zusammen waren. Dabei wusste er nicht einmal, ob das der Fall war. Wenn man die reinen Tatsachen betrachtete, sprach alles dagegen. Alex meldete sich nicht und verdeutlichte Ben damit nur allzu gut, dass dieser mit seinem Alleingang vor der Kripo zu weit gegangen war. Dennoch schmerzte die Erinnerung daran, dass Alex sich – nach allem, was passiert war – nicht mal persönlich von ihm verabschiedet hatte. Durch diese direkte Geste hatte Alex alles andere, was bislang zwischen ihnen existiert hatte, in die Vergangenheit verjagt. Und so kam es Ben nun vor, als ob alles überhaupt nicht stattgefunden hätte. Als ob sie niemals zusammen Eislaufen gewesen wären, geschweige denn miteinander geschlafen hätten. Als ob all das nur einem Tagtraum im Wahn der vielen Probleme entsprungen wäre.
    Vielleicht fühlte er sich Alex deshalb so fremd. Einfach, weil er gar nicht mehr an das glaubte, was zwischen ihnen existiert hatte. Das Einzige, was ihn noch schmerzvoll daran erinnerte, waren die Narben an seinem Oberkörper.
    Ben fuhr sich mit seinen Händen durchs Gesicht – in einer Geste, von der er sich versprach, sie könnte all seine Gedanken verwischen. Aber das tat sie nicht. Stattdessen kehrte schon wieder das Bild des Kunststudenten vor sein geistiges Auge. Und als er genauer darüber nachdachte, musste er sich eingestehen, dass er Peer am liebsten mit zu sich nach Hause genommen und ihn flachgelegt hätte.
    Dieser ehrliche Gedanke verpasste ihm einen kalten Schauer. Er versuchte ihn von sich zu schütteln und griff in einer ablenkenden Geste nach seinem Handy. Natürlich hatte Alex sich nicht gemeldet.
    Gedankenverloren begann er mit der Tastensperre zu spielen. Er

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