Sommermond
schaltete sie ein, dann wieder aus, dann wieder ein und wieder aus. Dabei löste er mit jedem Tastendruck einen schwachen Adrenalinschwall in sich aus. Bedingt dadurch, dass ihn bei jedem Lösen der Tastensperre ein kurzzeitiges Gefühl von Mut überkam, die ihn dazu verleiten wollte, Alex anzurufen. Wenn er die Tastensperre dann wieder einstellte, sickerte dieser Mut kraftlos zurück.
Letztendlich konnte er sich dann aber doch davon überzeugen, in Hamburg anzurufen. Aber nicht bei Alex, sondern bei Jo. Bei ihm wollte er sich nach dem neusten Stand der Dinge erkundigen. Zum Beispiel danach, ob es Neuigkeiten seitens der Polizei gab. Ganz nebenbei würde er den Architekten nach Alex ausfragen und dabei hoffentlich ein paar Antworten erhalten, die ihm weiterhelfen würden. Also wählte er Jos Nummer, presste sich das Handy ans Ohr und lauschte den Freizeichen. Nervös kaute er auf seiner Unterlippe. Sein Herz klopfte schnell in seiner Brust. Er wusste nicht einmal, wie er das Gespräch beginnen sollte. Als niemand abnahm, beschloss er noch zwei Freizeichen abzuwarten und dann aufzulegen. Doch dann vernahm er ein leises Klicken.
„Tannenberger?“, meldete sich wer am anderen Hörer.
Ben erkannte sofort, dass das nicht Jos Stimme war. Es war die von Alex. Nun schlug seine Nervosität in Aufregung um. Sein Herz klopfte noch schneller und seine Kehle schnürte sich zu, so dass er kein Wort hervorbrachte.
„Hallo?“, fragte Alex und klang genervt.
Ben kratzte sich am Hinterkopf, machte dann eine unklare Geste und versuchte sich zu sammeln. Mit Alex hatte er nicht gerechnet. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Vor allem weil er befürchtete, den Blonden mit einem falschen Wort zum Auflegen zu bewegen.
Schließlich räusperte er sich kräftig und versuchte seine Stimme zurückzuerlangen.
„Alex?“, brachte er heiser hervor.
„Ben?“, schallte es zurück.
Ben überkam ein seltsames Gefühl, das sowohl von Wut, als auch Freude und Trauer durchzogen war. Er war den Tränen der Überforderung nahe, riss sich aber zusammen.
„Mann, Alex!“, gab er stattdessen zurück. „Warum meldest du dich nie zurück? Was ist denn los? Was hab‘ ich falsch gemacht?“
Die Fragen sprudelten ungehemmt aus ihm heraus. Sein Sprachzentrum schien nicht mehr mit seinem Verstand verknüpft.
„Gar nichts“, erwiderte Alex trocken. Er wirkte kurz angebunden.
„Aber irgendwas muss doch sein!“, entgegnete Ben. „Es ist über ‘ne Woche her, dass ich was von dir gehört hab‘ … und ich … Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“
Kurz trat Stille ein. Einen Moment lang glaubte er sogar, Alex hätte aufgelegt. Doch dann hörte er ihn laut aufstöhnen.
„Ich hätte mich ja irgendwann gemeldet“, erwiderte der Blonde. „Aber ich hab‘ momentan echt keine Zeit!“
„ Keine Zeit? “, hakte Ben fassungslos nach. „Man hat immer Zeit für eine SMS oder einen kurzen Anruf.“ Er stockte kurz. „Was hast du denn so Wichtiges zu tun? Ich mein‘ … Wie soll das denn weitergehen?“
Er sprach so schnell, dass er seinen Worten selbst kaum folgen konnte – begründet in der Angst, Alex könnte jede Sekunde auflegen.
„Ich weiß es nicht“, erwiderte Alex.
Ben traute seinen Ohren nicht. Aus Alex‘ Mund klangen die Worte fad und desinteressiert.
„Was ist das denn noch zwischen uns?“, wagte er es daraufhin. „Ist da überhaupt noch was?“
Alex antwortete nicht.
„Jetzt sag‘ schon!“, fuhr Ben ihn an. „Ist es wegen der Sache mit der Polizei? Nur deswegen? Wenn ja, dann hab‘ ich dich echt falsch eingeschätzt!“ Er machte Pause, um Luft zu holen. „Das kann doch nicht dein Ernst sein! Ich hab‘ so viel für dich getan und du ...“
Ihm fehlten die Worte.
„Ben…“, murmelte Alex.
„Hast du ‘nen anderen? ‘Ne ander e ? Steckst du in Schwierigkeiten?“ Die Fragen sprudelten nur so aus ihm heraus. Er war zu aufgebracht, als dass er sich länger zusammenreißen konnte. „Sag’s mir doch einfach! Du weißt, dass du mir alles sagen kannst! Und … Warum das mit deinen Haaren?“
„Woher weißt du davon?“, entgegnete Alex. Er klang verärgert.
„Von Jo“, gab Ben knapp zurück.
Daraufhin hörte er Alex fassungslos auflachen. „Hätt‘ ich mir ja denken können.“
„Na, wenn ich dich nicht erreiche!“, verteidigte sich Ben.
Daraufhin schwieg Alex wieder. Aber nur einen kurzen Moment.
„Weißt du, Ben…“, sagte er dann und war wieder ruhiger geworden. „Das hat doch
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