Sommermond
zusammen. Die Situation überforderte ihn. Hinzu kam das Gefühl der alkoholbedingten Leichtigkeit, das ihn nicht ernsthaft über die Sache nachdenken ließ.
„Wir fahren zu mir“, erklärte Peer. „Und dann erzählst du mir deine Geschichte.“
„Soll das ‘ne Anmache sein?“, fragte Ben und verzog sein Gesicht.
„Nein.“ Peer schüttelte den Kopf. „Ich hab‘ einfach nur das Gefühl, dass du eigentlich reden willst.“
„Ach, was …“, tat Ben ab. „Die Sache mit Alex … Das war … Es ist einfach …“
Er bemühte sich, die richtigen Worte zu finden, machte unbeholfene Gesten dazu, schaffte es aber dennoch nicht, sich deutlich zu artikulieren. Eigentlich wollte er Peer eine kurze Zusammenfassung geben, wusste aber nicht, wo er ansetzen sollte.
„Ich bin viel zu betrunken!“, rief er deshalb laut aus.
„In Vino veritas“, gab Peer zurück.
Ben musterte ihn kritisch, und für einen kurzen Moment kam er sich vor, als befände er sich im falschen Film. Was, wenn Peer jemand Verrücktes war? Was, wenn er seinen angetrunkenen Zustand als geeigneten Anlass nahm, ihn flachzulegen? Bei diesem Gedanken stockte Ben, dachte erneut darüber nach und gestand sich ein, dass ihn Letzteres nicht stören würde. Doch das lag vermutlich daran, dass er längst in der Falle saß – bedingt dadurch, nicht mehr klar denken zu können.
Sie fuhren noch ein ganzes Stück geradeaus, vorbei an roten Reihenhäusern, die sich um die Ecke schlängelten, und bogen schließlich rechts ab. Peer wurde langsamer, hielt Ausschau nach einem freien Parkplatz und fädelte sich schließlich in eine Parklücke, die nur wenige Meter vom letzten Reihenhaus entfernt lag.
„Da wären wir!“, sagte er und schaltete den Motor ab.
Er zog den Schlüssel aus der Zündung und blickte zu Ben. Der saß irritiert da und wusste nicht, was er von alledem halten sollte.
„Hab ‘ne Zweizimmerwohnung im zweiten Stock“, erklärte Peer und deutet auf das längliche, mit Grünflächen umrahmte Backsteingebäude neben ihnen. Neugierig musterte Ben das Mehrfamilienhaus. Zwischen dem Fassadenrot leuchtete ein hellerer Streifen mit vier Fenstern, direkt über dem Eingang. Das war das Treppenhaus. Ein schmaler Weg hinter einer Bushaltestelle führte zur Haustür. Neben dem Weg war ein Stück Wiese braun umzäunt. Auf ihr stand ein Glaskasten, hinter dessen Scheibe aktuelle Informationen pinnten.
Peer schnallte sich ab und öffnete die Fahrertür. Doch Ben blieb regungslos sitzen.
„Ich kann das nicht“, murmelte er.
Peer setzte sich wieder und lehnte die Tür an.
„Was kannst du nicht?“, fragte er.
„Mit hochkommen“, erwiderte Ben.
Peer seufzte leise. „Guck mich mal bitte an!“
Ben zögerte noch einen Moment, bevor er gehorchte. Trotzdem schaffte er es nur kurz, Peers Blick standzuhalten, bis er seinen Kopf wieder senkte. Wie gebannt starrte er auf die Schaltung und wünschte sich, sich in Luft aufzulösen. Stattdessen spürte er plötzlich eine warme Hand an seinem Kinn, die seinen Kopf sanft nach oben drückte. Ben musste schlucken. Er sah auf und verfing sich in Peers festen Blick, der ihn binnen Sekunden hypnotisierte. Er schaffte es nicht mehr, sich abzuwenden, starrte zurück und bemerkte, wie Peer sich ihm näherte. Er vernahm seinen Geruch, seinen heißen Atem, spürte seine Hand an seiner Wange. Peer schielte auf seine Lippen, blickte zwischendurch in seine Augen und vergewisserte sich damit, dass das, was er tat, in Ordnung war. Und dann passierte es: Peer beugte sich weiter vor, Ben lehnte sich in die Berührung und küsste ihn. Peers Lippen schmeckten nach Bier, waren weich und bewegten sich zärtlich. Ben überkam ein heftiges Kribbeln, doch gleichzeitig schrie die Stimme der Vernunft in seinem Kopf. Lauter und immer lauter, bis er sich schließlich abrupt von Peer wegdrückte und aufgeregt nach Luft schnappte.
„Ich kann das nicht“, wiederholte er sich und schüttelte den Kopf. „Wirklich nicht …“
Peer erwiderte nichts. Er warf ihm lediglich einen festen Blick zu und gab ihm Zeit, sich zu fangen.
Ben spürte sein Herz, wie es wild gegen seinen Brustkorb hämmerte. Er musste an Alex denken und konnte das, was er für den Blonden empfand, nicht länger verdrängen. Dennoch kochte ein Gefühl von Lust in ihm, das mit seiner Vernunft rang und ihn alle paar Sekunden zu einem neuen Entschluss kommen ließ. Hinzu kam der Alkohol, der ihm das Denken erschwerte und seine Knie unter dem Kuss hatte weich werden
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