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Sommermond

Titel: Sommermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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und ließ seinen Blick durch die Runde schweifen. Juan blickte mitleidig zurück. „Was soll ich denn dann den Russen erzählen? Hm?“
    „Halt deine beschissene Fresse!“, zischte Rafael und trat auf ihn zu. Unter seinem Jackenärmel blitzte die Klinge eines Butterfly-Messers.
    „Ihr könnt mir nichts antun“, entgegnete Alex. „Wie ich ja gestern erfahren habe, braucht ihr mich noch.“
    Mit diesen Worten wandte er sich wieder an den Spanier und warf ihm ein gekünsteltes Grinsen zu.
    „Dein Temperament ist wirklich unglaublich“, entgegnete dieser. Er sprach so langsam, dass man seinen Akzent besonders deutlich heraushörte. Dann wandte er sich an Rafael und Juan: „Zeigt’s ihm!“
    Alex erschrak. Bis eben war er sich sicher gewesen, sie würden ihn in Ruhe lassen. Hier draußen, wo sie jeder sehen konnte. Doch davon ließen sie sich offenbar nicht beeindrucken. Ohnehin war nirgends jemand zu sehen.
    Alex taumelte einen Schritt nach hinten und stieß mit seinen Knien gegen die kleine Mauer, die an das Elbufer grenzte. Zusammen mit der aufsteigenden Panik verstärkte sich auch das Pochen in seinen Schläfen. Vor Iwan und Sergej hatte er keine Angst. Doch der Spanier und seine Handlanger riefen unwillkürlich Erinnerungen an die Entführung in ihm hervor, und die ließen ihn nicht mehr rational denken. Er verlor sein Gleichgewicht, landete mit seinem Hintern auf der schmalen Mauer und krallte seine Hände neben sich in den Stein. Er schielte zu Rafaels Hand, die gekonnt mit dem Butterfly spielte. Juan blieb zurück. Er blickte fortlaufend von links nach rechts und schien Schmiere zu stehen.
    Alex rutschte auf der Mauer entlang nach links. Rafael folgte ihm. Er stank nach Alkohol und Zigaretten. Er hob seine Hand samt der Klinge, hielt sie aber weiterhin unauffällig in seinem Ärmel versteckt.
    Alex spürte, wie sein Herz gegen seine Brust hämmerte. Er wollte sich wehren, doch der Schock, als Rafael sich nach vorn beugte und ihm die Klinge aufs Gesicht drückte, ließ ihn erstarren.
    „Na?“, fragte Rafael und fuhr sich mit der Zunge über die Vorderzähne. „Da deine Haare schon ab sind, muss wohl diesmal dein schönes Gesicht dran glauben, hm?“
    Alex hielt den Atem an, denn er befürchtete, sich mit einer falschen Bewegung selbst zu gefährden. Rafael drückte die Klinge auf seine Wange. Sie war so scharf, dass Alex nicht wusste, ob sie ihn bereits verletzte. Seine Erfahrung verriet ihm, dass man es kaum spürte, wenn man sich an etwas Scharfem schnitt. Oft kam der Schmerz erst später. Außerdem stand er so unter Adrenalin, dass er glaubte, sowieso keine Schmerzen zu spüren. Einen kurzen Moment geistiger Abwesenheit musste er an die Narbe in Ramons Gesicht und die an Juans Hals denken und fragte sich, ob auch sie in einer derartigen Szene entstanden waren.
    „Eine schöne Narbe auf der Wange …“, flüsterte Rafael und zog die Klinge sanft über die empfindliche Haut, „… oder durch deine Lippen?“ Er fuhr mit der Klinge über Alex‘ halb offenen Mund.
    Alex bemühte sich, so flach wie möglich zu atmen. Er wollte keine falsche Bewegung riskieren. Noch spürte er weder Schmerzen noch warmes Blut. Noch war sein Gesicht unversehrt.
    „Da kommt jemand!“, rief plötzlich Juan.
    Sofort ließ Rafael von Alex ab und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Er ließ die Klinge zurückschnellen und das Messer in seine Tasche rutschen. Dann setzte er sich neben Alex und setzte ein gespieltes Lächeln auf.
    „Mach jetzt bloß nichts Falsches …“, zischte er durch zusammengebissene Zähne.
    Alex spähte an ihm vorbei. Er sah einen älteren Mann mit Hut auf sie zu kommen. In der linken Hand hielt er eine Leine, an der ein zerzauster Jack Russel lief. Alex starrte ihn an. Doch der Mann schenkte ihm keine Aufmerksamkeit. Er blickte stur durch seine Brille und passierte sie ohne irgendeinen Verdacht zu schöpfen. Rafael blieb noch so lange neben Alex sitzen, bis der Mann hinter ein paar Bäumen verschwunden war. Dann stand er auf. Alex schaute noch immer in die Richtung, in die der ältere Herr verschwunden war. Deshalb zuckte er erschrocken zusammen, als Rafael ihn völlig unerwartet packte und zu sich hochriss. Alex starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Er hatte noch immer Angst, aber nicht mehr solche, wie noch eben mit dem Messer im Gesicht. Rafael zog seine Nase kräftig hoch. Gut hörbar sammelte er jeglichen Rotz in seinem Mund zusammen und spuckte ihn anschließend in Alex‘

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