Sommermond
war der, es tatsächlich geschafft zu haben. Es war vorbei. Und das hatte er Ben zu verdanken.
25
Es war Freitagabend. Ben stand vor seiner Mutter in der Tür, sein Vater war schon zum Auto vorgegangen.
„Ich wünsch‘ dir viel Spaß, mein Schatz!“, sagte seine Mutter und lächelte.
In ihrer Hand baumelte ihre beste Handtasche. Ein schwarzes Model mit Strasssteinen, die im schwachen Licht glänzten. Dazu trug sie ein rotes Kleid, in dem sie ungewohnt attraktiv aussah. Ihre offenen Haare machten sie jünger.
„Du hast dich ja richtig schick gemacht“, grinste Ben.
„Es kommt ja auch selten vor, dass dein Vater mich ausführt“, erwiderte sie.
Ben legte seinen Kopf schief und musterte sie.
„Du siehst toll aus“, sagte er. „Dad könnte sich glatt neu verlieben.“
Seine Mutter lachte. „Du Spinner …“
Ben grinste als Antwort.
„Also dann“, sagte seine Mutter und wandte sich zum Gehen um. „Baut keinen Mist und …“ Sie stockte und seufzte.
„Und?“, hakte Ben nach.
„Mach dich nicht so verrückt wegen Alex“, beendete sie ihren Satz. „Entweder er kommt oder er kommt nicht. Lass dir auf keinen Fall den Abend verderben!“
Ben nickte kaum merklich. In den letzten Tagen hatte er viel über sich und Alex nachgedacht, war dabei aber zu keinem Ergebnis gekommen. Seine Gefühle drehten sich im Kreis. Er wusste zwar, dass es die richtige Entscheidung war, sein Stipendium wahrzunehmen, musste sich aber eingestehen, dass es sich trotzdem falsch anfühlte. Sein Verstand hatte eine Meinung, sein Herz eine ganz andere. Er war sich nicht einmal sicher, ob er immer noch wollte, dass Alex vorbeikam. Zu groß war seine Angst, dass ihn eine weitere Begegnung aus dem Konzept bringen und ihn an seinen Zukunftsplänen zweifeln lassen würde. Er liebte Alex. Er wusste aber, dass es nicht zwischen ihnen funktionieren konnte. Bislang hatten sie mehr miteinander gestritten als alles andere. Hinzu kam, dass ihn Alex‘ Sex mit dem anderen Kerl zutiefst verletzt hatte.
„Du hast ja recht“, sagte er dann. „Ist nur alles nicht so einfach …“
„Ich weiß“, erwiderte seine Mutter. „Trotzdem … Genieß die Feier! Danach wirst du deine Freunde eine ganze Weile nicht mehr sehen.“
Ben nickte. „Ich werd’s versuchen.“
Seine Mutter lächelte aufmunternd. „Ich hab‘ dich lieb, mein Schatz.“
Mit diesen Worten wandte sie sich ab und verschwand in Richtung Auto. Ben schaute ihr noch eine Weile nach, bevor er zurück ins Haus trat und die Tür vor sich zudrückte. Er wollte gerade über die Worte seiner Mutter nachdenken, als schon Isabelle auf ihn zustürmte und sich grinsend vor ihm aufbaute.
„Kommst du mal gucken?“, fragte sie und klang dabei wie ein kleines Kind, das seinen Eltern sein erstes großes Lego-Werk präsentieren wollte.
Ben musste ungewollt lachen. „Was gibt’s denn?“
„Na, dafür musst du schon mitkommen!“
Ben atmete einmal tief durch und nickte schließlich. Seine Mutter hatte recht. Er sollte den Abend mit seinen Freunden genießen und nicht in eine künstliche Depression verfallen. Immerhin war er es gewesen, der mit Alex Schluss gemacht hatte. Der Blonde hatte ihn mit allen Mitteln von einem Neuanfang zu überzeugen versucht, doch Ben hatte zu sehr an ihrem Glück gezweifelt. Außerdem war da sein Stipendium, und er glaubte nicht, dass ihre Beziehung schon reif genug dafür gewesen wäre, ein Jahr Entfernung zu überstehen.
„Komm!“, riss Isa ihn erneut aus den Gedanken.
Sie ergriff seine Hand und warf ihm ein ehrliches Lächeln zu. Ihre türkisfarbenen Augen leuchteten zwischen der blassen Haut, die einen starken Kontrast zu ihren schwarzen Haaren darstellte. Sie sah hübsch aus – fast makellos. Max hatte einen wahren Glücksgriff mit ihr gemacht.
Sie zog Ben hinter sich her. Eine süßliche Parfümwolke umhüllte sie. Ihre Beine wirkten schlank unter dem weißen Rock. Als sie im Wohnzimmer ankamen, ließ sie von ihm ab und deutete Richtung Fenster. Ben musste sofort lächeln. Ein weißes Stofflaken hing vor dem Rollo, auf dem in großen, roten Lettern stand: „BEN GOES USA – WIR WERDEN DICH VERMISSEN“, daneben eine grob skizzierte Skyline von New York, inklusive Freiheitsstatue.
„Ihr seid süß“, sagte Ben.
„Nur Isa!“, rief Max aus der hinteren Ecke. „Das ist einzig und allein ihr Werk.“
Ben starrte das Banner noch eine Weile an, bevor er sich an Isabelle wandte und sie flüchtig in die Arme schloss.
„Danke“, murmelte
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