Sommermond
zwinkerte und wandte sich daraufhin ab.
Alex blieb irritiert zurück. Benommen ließ er seinen Blick zum Lagerhaus schweifen, vor dem Pawlow bis eben gestanden hatte. Alles wirkte so surreal.
„Wie lange war ich bewusstlos?“, fragte Alex.
„Eine ganze Weile“, antwortete der Sanitäter und griff ihm unter die Arme. „Können Sie aufstehen?“
Alex stützte sich ab und wagte einen neuen Versuch, sich aufzurichten. Wieder jagte ein beißender Schmerz durch seinen Kopf. Doch dieses Mal ignorierte er ihn und ließ sich vom Sanitäter hochhelfen.
Als er aufrecht stand, zitterten seine Knie. Ihn überkam ein starkes Schwindelgefühl und er hatte Mühe, sein Gleichgewicht zu halten.
„Geht’s?“, fragte der Sanitäter und stützte ihn beim Gehen.
Alex nickte. „Mir ist nur etwas schwindelig.“
„Meine Kollegen werden Sie durchchecken und eine Nacht lang beobachten. Aber ich gehe davon aus, dass Sie morgen wieder nach Hause dürfen.“
„Morgen?“, hakte Alex nach. Er wollte nicht im Krankenhaus übernachten.
Der Sanitäter nickte und führte ihn zu den Baucontainern. Sie passierten sie und erreichten den Bauzaun. Alex erinnerte sich noch daran, wie Iwan ihn zwischen diesem hindurch gezerrt hatte.
Als er seinen Blick etwas hob, sah er Wagner mit einem Handy am Ohr neben einem silbernen Wagen stehen. Alex traute seinen Augen nicht. Es war der Wagen, den er schon bei seiner Ankunft gesehen hatte. Der Wagen, der vor den anderen geparkten Autos gestanden hatte. Das bedeutete, dass die Polizei die ganze Zeit Bescheid gewusst und nur auf den richtigen Moment gewartet hatte, in die Situation einzugreifen. Alex schien eine Art Lockvogel für sie gewesen zu sein. Offenbar hatte er die beiden Anführer zusammenführen sollen, damit sie auf frischer Tat festgenommen werden konnten. Er musste fast darüber lachen. Wagner hatte Alex‘ Leben riskiert, um die beiden Banden zu überführen. Womöglich ließ er ihn deshalb ungestraft davonkommen. Plötzlich ergab alles einen Sinn. Es war wie eine unausgesprochene Abmachung: Er hatte Wagner geholfen und als Dank half Wagner ihm, indem er ihn aus der ganzen Sache heraushielt.
Fassungslos schüttelte Alex den Kopf. Das Ganze musste ein schlechter Scherz sein. Derartige inoffizielle Vereinbarungen existierten sonst nur in Filmen.
Der Sanitäter führte ihn über den Bürgersteig und blieb vor einem Rettungswagen stehen. Er schob die Tür auf und wollte sich gerade an Alex wenden, als ein schnell fahrender Wagen seine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Mit einer Vollbremsung kam das Auto neben dem von Wagner zum Stehen. Alex erkannte sofort, dass es der Wagen seines Vaters war. Als sich die Fahrertür öffnete, stieg ein mulmiges Gefühl in ihm auf. Jo starrte in seine Richtung, stürmte zu Wagner und tauschte ein paar flüchtige Worte mit ihm. Dann eilte er laufenden Schrittes zu Alex und zog ihn gleich darauf so unerwartet in seine Arme, dass Alex‘ Augen sich weiteten.
„Gott sei Dank!“, murmelte Jo und drückte ihn fest an sich. „Dir ist nichts passiert.“
Alex war sprachlos. Er spähte über Jos Schulter und sah, wie sich die Beifahrertür öffnete. Es war Ben, der daraufhin ausstieg, die Tür zuwarf und neben dem Wagen stehen blieb. Er warf Alex ein zaghaftes Lächeln zu, bevor er den Blick senkte.
„Ich wollte verhindern, dass es so weit kommt“, sagte Jo. „Ich war dagegen, dass sie dich als Köder benutzen.“
Alex lauschte den Worten. Die väterliche Umarmung war ungewohnt, ebenso die Art wie sein Vater mit ihm sprach. Er hatte geglaubt, Ärger zu bekommen, doch Jo schien einfach nur dankbar zu sein, dass er noch lebte. Dieser Gedanke fühlte sich gut an. Etwas zögerlich hob er seine Arme, legte sie auf Jos Rücken und erwiderte die Umarmung. Dabei schloss er die Augen.
„Du hast es die ganze Zeit gewusst?“, fragte er. „Deswegen das Telefonat heute Morgen?“ Er stockte kurz und atmete tief ein. „Jetzt macht alles einen Sinn. Dein Verhalten, Bens Verhalten …“
Jo drückte ihn noch einmal fest an sich, bevor er langsam von ihm abließ. Alex öffnete seine Augen und blickte zu ihm auf. Im Augenwinkel sah er den Sanitäter, der sich gegen die Karosserie seines Wagens lehnte. Er schien den bedeutenden Moment nicht stören zu wollen.
Jo nahm Alex‘ Gesicht in beide Hände und schüttelte kaum merklich den Kopf.
„Du bist ein sturer Dummkopf, weißt du das?“
Alex musste lächeln. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl, einen richtigen
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