Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)
tief in die Nacht wach. Im Morgendämmer wachte er erregt auf. S’ee, die nun wusste, was geschehen würde, konnte beim zweiten Mal entspannt sein und hatte geradezu Freude daran, als er den Höhepunkt erreichte und dann rasch von ihrem Rücken rollte. Aneinandergekuschelt lagen sie im frühen Tageslicht, als S’ee begann, über den wundervollen Mann als den ihren nachzudenken.
Die nächsten zwei Tage wanderten sie tiefer in den Wald hinein, der sich zu weit entfernten Bergen erhob. Mit jeder Stunde wurde der Anstieg schwieriger, wurden die Fichten und Zedern höher und dick mit schrumpeligem Moos bewachsen, die Luft schwer vor Feuchtigkeit. Nie zuvor hatte sie den Regenwald betreten und nie zuvor, wenn die Sonne sich ein Loch durch das Blätterdach bohrte, so viele Singvögel zwitschern gehört. Raschelndes Unterholz oder flüchtende Schatten ließen sie ängstlich an seine Seite eilen, und wenn ein Bach ihren Pfad kreuzte oder eine umgefallene Zeder ihnen den Weg versperrte, nahm er ihre Hand und geleitete sie sicher. Sie vertrieben sich die Zeit mit Geschichtenerzählen, und als sie ihm die Legende ihres Vaters Yeikoo.shk’ und von seinem Tod durch einen Lachs erzählte, senkte er den Kopf.
»Schwester Lachs«, sagte er, »war außer sich. Die Eier nehmen und den Fisch wegwerfen ist nicht nur Verschwendung, sondern beweist einen Mangel an Respekt. Was war er nur für ein Mann?«
»Ein stolzer Mann. Ein törichter Mann.«
»Und wen hast du lieber, Püppchen, deine Mutter oder deinen Vater?«
Sie kicherte, als neckte er sie bloß. Je mehr Zeit sie mit ihm verbrachte, desto weniger fremd erschien ihr seine Art, und nur vor dem Abendessen trennten sie sich, wenn er sie allein ließ, damit sie ein Feuer entzünde, während er etwas Essbares auftrieb. Einmal am Tag machte er im Schutz des tiefen Waldes Toilette, und jedes Mal kehrte mit ihm dieser animalische Gestank zurück, ein ebenso starker Geruch wie der, den sie mit ihrer Schwester im Bach versucht hatte abzuwaschen. Das schien ihr sehr lange her. Anfangs ertrug S’ee den Geruch des Mannes nicht, wenn er zu ihr zurückkehrte, sie konnte sich nicht vorstellen, wie ein so wundervoller Mann so schrecklich stinken konnte.
Doch in der Nacht vergaß sie diese kurzzeitigen Verstörtheiten. Nach ihren ersten sexuellen Begegnungen war sie es, die ihn zu Zärtlichkeiten verführte; wenn die Glut zu Asche verfiel, krabbelte sie hinüber zu ihm, küsste sein Gesicht und seine Brust, bis er nicht länger widerstehen konnte; und sie drehten sich um, und er bedeckte schnaubend und keuchend ihren Rücken, und sie wartete mit wachsender Lust auf seinen letzten Aufschrei, ein Brüllen der Erlösung, das sie mit dem Gefühl erfüllte, dass sie auf diese Weise den Rest ihres Lebens verbringen würden. Und als er neben ihr lag, malte S’ee sich aus, ihn zu Hause ihrer Mutter und den Schwestern, ihren Cousins, dem ganzen Clan und dem Stamm vorzustellen. Sie stellte sich ihre Gesichter vor, die, von Verwunderung und Neid erfüllt, fragten, wie sie sich wohl solch einen Königslachs hatte angeln können, war er doch nichts Geringeres als ein Wunder, stark, schön, ein mächtiger Geist.
Als er sie durch eine Schlucht zwischen zwei Bergen hindurchführte, blieb er am höchsten Punkt eines abwärts führenden Wegs stehen und suchte mit Blicken, die Augen mit der Hand vor der Sonne schützend, den Horizont ab. Sie legte den Kopf an seine Schulter und spürte die Aufregung durch seine Haut pulsieren. »Da«, sagte er und deutete in der Ferne auf eine Wiese, durch die sich ein Fluss schlängelte. »Da ist mein Clan.« Vielleicht blendete sie die Sonne, oder vielleicht wusste sie nicht, was sie erwartete, aber S’ee konnte nichts außer braunen Flecken erkennen, die an den Ufern entlangschoben. Doch ihm zuliebe täuschte sie Begeisterung vor. Es dauerte den ganzen Tag, das Tal zu durchwandern, und als sie bei Dunkelheit ankamen, sah sie im aufsteigenden Flussnebel nur ein paar Fuß weit. Als sie zwischen etwas krochen, das wie Holzklötze aussah, hörte sie ihr an- und abschwellendes Schnarchen und war darauf bedacht, nicht ihren Schlaf zu stören.
Als sie einen Platz gefunden hatten, wo sie allein sein konnten, hielt er sie in seinen Armen und sagte: »Schau am Morgen nicht auf. Wenn du bei Tagesanbruch als Erste aufstehst, sieh nicht zu den Leuten.«
Warum sagt er mir das?, dachte sie, doch nachdem er sie geliebt hatte, vergaß S’ee es. Traumverloren fiel sie in den Schlaf
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