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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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älteren Schwestern und die fünf älteren Brüder war sie einfach S’ee, sie verwöhnten und hüteten sie ihr ganzes Leben lang und wurden selbst kleine Eltern. Doch die arme S’ee musste sich nicht nur gegen fünf Mütter und fünf Väter behaupten, sondern auch gegen die Leute ihrer Mutter, den Frog-Clan, die sie vielleicht aus Sympathie für die Witwe mit den zehn Kindern wie eine Gemeinschaftspuppe behandelten. Mehr als die anderen war sie ein Kind des Dorfes, aber dies widerlegt nicht die Möglichkeit, dass auch Dörfer ebenso konfliktbeladen sein können wie eine isolierte und allein lebende Familie. Vielleicht wäre es ihr besser ergangen, wenn sie mit weniger Aufmerksamkeit bedacht worden wäre.
    Als sie endlich die wahre Geschichte ihres Vaters erfuhr, lachte S’ee über die Pointe, dass der Mann von dem Lachs erlegt wurde. Da sie keine liebevollen Erinnerungen – nicht einmal an den Klang seiner Stimme oder den Geruch seiner Haut – hatte, war er nichts weiter als ein Protagonist in einer Fabel – und darum ohne Bedeutung für sie. Tage und Nächte vergingen an der Seite ihrer Mutter, mit den Schwestern, mit denen sie in der Nähe umherschweifte, und dem ganzen Frog-Clan, der für seine Puppe ein Potlach abhielt oder Perlen auf Decken stickte, ein Leben in Müßiggang, nur geprägt vom Rhythmus der unerbittlichen Regenfälle der Winter und der Blattläuse der kurzen Sommer. Als die Mädchen, eines nach dem anderen, verheiratet wurden, schloss sich S’ee aufs Engste mit Shax’saani Keek’, der nächstjüngeren Tochter, zusammen. Von Anfang an gingen sie überall gemeinsam hin, und mit den Jahren geleitete Shax’saani ihre Puppe über die Hürden der Kindheit und lockte sie in die Jugendzeit.
    So geschah es, dass diese beiden Schwestern, junge Frauen von sechzehn und dreizehn, sich eines Spätsommermorgens hinauswagten, um Beeren zu pflücken und über Jungen zu reden. Die beiden Hunde Chewing Ribs und Curly Tail begleiteten sie durch die Wildnis, sie liefen vorweg und jagten Hasen, die sie im Brombeergestrüpp aufscheuchten. Die Sonne stieg und ließ den Himmel golden erstrahlen, und die schon bald von ihrer Arbeit erschöpften Schwestern flüchteten in den Schatten, wo sie sich süße Beeren in den Mund schoben, während sie von der Zukunft träumten.
    »Sie sagen, du seist für den Mann-im-Mond bestimmt, den alle nur schlicht D’is nennen, weil sein Gesicht so rund ist wie der Vollmond«, neckte S’ee ihre Schwester.
    »Wie eine Eule mit einer Menschennase«, entgegnete Shax’saani. »Wie ein Teller mit zwei Augen und einer Beule in der Mitte.«
    »Der Mond im Mann. Er ist nichts für dich, Schwester. Für dich einen Hübschen und für mich einen Starken.«
    »Einen wie unseren Vater. Yeikoo.shk’.«
    Bei seinem Namen wurden beide Mädchen still, als könnte so dummes Gerede über einen Mann seinen Geist stören. Vogelgezwitscher und Insektengesumme milderten die Stille. In der Ferne bellte Chewing Ribs eine vorbeilaufende Besonderheit an, und wären sie statt auf ihre Gefühle auf die andere Welt eingestimmt gewesen, hätten sie das Scharren eines Bären am Ende des Pfads gehört.
    »Wie war er? Abgesehen von stark und dumm?«
    Shax’saani blitzte sie an und aß eine Handvoll Prachthimbeeren. »Nicht dumm. Er hatte Charme. Er sang, und Mutter geriet in Verzückung. Was glaubst du, warum wir fünf Schwestern und fünf Brüder sind? Jedes Mal, wenn die Brüder und Schwestern den Gesang hörten, lauschten sie auf das Rascheln der Felle und Decken. Und wenn man die Monde ab der Nacht des Gesangs zählte, musste man nur neun Monate zählen. Und dann warst beim letzten Mal du da, kleine Puppenschwester.«
    »Dann war er also ein wunderbarer Liebhaber, aber nicht so klug.«
    »Eigensinnig. Entschlossen. Als sein Vater starb, blieb er drei Wochen am Stück wach, um das Totem zu schnitzen. Er setzte sich eine Aufgabe in den Kopf und erfüllte sie, wie er es sich vor stellte.«
    S’ee griff nach ihrem Korb. »Wie unsere Brüder. Voller Stolz.« Sie sprach nicht nur von ihren leiblichen Brüdern, sondern auch von den Söhnen ihrer Tante und ihres Onkels, von den Brüdern des Clans.
    Ihre Schwester stand auf und strich ihre Röcke glatt. »Wie wir alle.«
    Sie suchten weiter nach Früchten, nach dem verräterischen Aufblitzen von Rot oder Gelb zwischen den grünen Blättern, ohne darauf zu achten, wohin sie gingen, als S’ee barfuß in etwas unverkennbar Weiches trat. An seinem Geruch war zu

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