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Sommerstueck

Sommerstueck

Titel: Sommerstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Wolf
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geholfen habe, aber besonders beim Einwecken. ObEllen schon einmal in die Speisekammer von Frau Käthlin geguckt habe? Hunderte von Gläsern! Von Birnen über Kirschen, grüne Bohnen, Fleisch, bis hin zu einem guten Dutzend Gläsern Leberwurst – alles, was Sie sich denken können. Wer das je hat essen sollen. Einweckfimmel nennt man das. Mein Mann aber, der mußte ja gleich ein Glas Leberwurst aufmachen. Frau Voß sprach wie über einen Abwesenden, und so verhielt sich ihr Mann auch, abwesend. Natürlich mit einem rostigen Schraubenzieher. Klar, daß der Rand absplitterte und ihm ein Splitter genau in den linken Daumen fuhr. Hätte ja alles noch angehn können, wenn die Leberwurst nicht uralt und verdorben gewesen wäre. Da hilft nur eins, hatte der Doktor gesagt: schneiden. Und dann noch ein Stückchen, und dann noch ein Stückchen. Und nun war der Daumen eben weg.
    Pause. Ein tiefer Atemzug von Littelmary. Und endlich das Geschäftliche, vorgetragen von Herrn Voß: das schmeichelhafte Angebot an Ellen und Jan, für Frau Käthlins Haus einen Käufer zu suchen. Das kann was werden, sagte Ellen und dachte an Irene und Clemens. Rief, als die drei gegangen waren, bei Frau Dobbertin an. Da waren wir gerade im Garten, sagte Irene an dieser Stelle. Ich hatte das Gefühl: Das wird was. Sofort!
    Littelmary aber trabte zu Jenny, die unter dem Kirschbaum auf der Wiese lag, und besprach mit ihr Frau Käthlins Leben. Stell dir vor: Die Frau Käthlin, die jetzt tot ist, hatte sich in einen Soldaten verliebt, der anno dunnemals hier beim Manöver war. Was ist ein Manöver. Die üben? Was denn? Ach so, Schießen. Dann sind sie nämlich nach Polen eingerückt. Findste das viel,wenn Frau Käthlin ihren Verlobten vierzehn Tage lang jeden Abend gesehen hat? Ich finds auch sehr wenig. Aber die Frau hat gesagt, der Soldat »fiel«. Ist der hingefallen, oder was. Wenn im Krieg einer »falle«, sei er tot. – Erschossen, meinst du? – Wahrscheinlich erschossen. – Aber wieso hat Frau Käthlin gedacht, daß sie in Hoffnung ist, wenn der Soldat tot war? – Sie hat gedacht, sie ist schwanger. – Ach so, schwanger. Aber warum sagt die Frau dann »in Hoffnung«. – Weil sie denkt, das hört sich besser an. – Wieso nun wieder das. – Weiß ich doch auch nicht, Littelmary. – Also findste das auch komisch, oder findste das nicht komisch. – Ich? sagte Jenny. Ich finde das Ganze unheimlich komisch. – Ich nämlich auch, sagte Littelmary. Meistens finden wir beide genau dasselbe komisch, nicht? – So ist es, Littelmary. Aber was war nun mit Frau Käthlins Hochzeit. – Also das, sagte Littelmary, ist überhaupt das Allerkomischste. Frau Käthlin hat nämlich einen Stahlhelm und eine Efeugirlande geheiratet. – Mach keine Sachen! – Ehrlich! Bei der Hochzeit hat auf dem Stuhl neben ihr ein Stahlhelm gelegen, und um den hatten sie eine Efeugirlande rumgewickelt. Ich verstehe, sagte Jenny. Und was ist mit dem Kind, das sie erwartet hat? – Aber das ist es ja eben! Vier Wochen später hat sie gemerkt, daß sie gar nicht in Hoffnung war! War die irgendwie ein bißchen blöd, oder was! – Blöd wohl nicht, Littelmary. Aber ziemlich komisch, wie? – Das ja. Komisch ja.
    Der Alma Käthlin langes Leben an der Seite ihrer Eltern, die dahinsiechen, von ihr gepflegt, beweint, begraben werden. Ihre langen Nächte in immer dem gleichen Bett, über sich am Kopfende das gilbende Foto des totenSoldaten. Darüber Schweigen. Das alles fand noch einmal in unseren Köpfen statt.

7.
    Innen und außen. Außenwelt und Innenwelt, dachte Irene. Sie stand da, gebückt, seit Stunden in der prallen Sonne, an der äußersten Grenze ihres Grundstücks und rupfte Brennesseln mit ihren bloßen Händen. Jetzt sah sie, durch ihre gegrätschten Beine, die anderen kommen, auf den Köpfen gehend, die Beine nach oben. Die hatten sich, wie fast jeden Abend, zum Sonnenuntergang beim Neandertaler getroffen, wie man sich in der Stadt vor dem Kino trifft. Schependonks Hund Lux war bei ihnen, umkreiste sie. Er hörte auf Jan. Jan war der einzige, der ihn daran hindern konnte, jeden Dorfhund unterwegs zu verbellen, so daß ein anwachsendes, langanhaltendes Hundegebell den kleinen Trupp begleitet hätte. Durch die neuen Nachbarn hatte sich das Leben des Hundes grundlegend verändert. Nicht nur, daß er zu fressen bekam, was er vorher nie gerochen hatte. Wichtiger noch war ihm der Umgang, in den er einbezogen wurde – Tafelrunden im Freien, bei denen er seine Fähigkeit,

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