Sommersturm (German Edition)
und grinste ein bisschen hinterhältig, während sie
genüsslich den von Roger zubereiteten Walnusspudding in sich hineinlöffelte. Ich
überlegte gerade, wie ich ihm dankend eine effektvolle Abfuhr verpassen könnte,
als ich Bettys flehenden Blick sah und nachgab.
„Eine
tolle Idee. Ich hab zwar keine Ahnung von Fußball, aber ich suche schon lange
jemand, der mich einweiht.“
Roger
war hellauf begeistert. Endlich hatte er ins Schwarze getroffen. Wie lange
suchte er jetzt schon nach einer Tür zu meinem schwierigen Seelenleben. Und wie
oft hatte ich ihn abblitzen lassen!
„Wann
ist das nächste Spiel?“, fragte ich brav und nippte an meiner Cola. Roger hatte
vergeblich versucht, mir ein Bier aufzuschwatzen, das wahrscheinlich besser zur
Männersolidarität gepasst hätte.
„In
drei Tagen“, sagte er, „also Samstag.“
In
banger Erwartung sah er mich an, als befürchte er einen Rückzieher im letzten Moment.
Ich verstand ihn, schließlich hatte er mit mir schon einiges erlebt. Fast tat
er mir Leid. Im Grunde konnte er nichts dafür. Schließlich war es kein
Verbrechen, scharf auf Betty zu sein, irgendwie sogar verständlich. Aber
es gab so Situationen, da war ich mir selbst der Nächste. Und dies war eine
davon.
„Prima“,
sagte ich und hob mein Glas. „Ich bin dabei, Rod-scher.“
In
seinem Gesicht ging die Sonne auf. Er war auch ein bisschen betrunken, das
verriet der Glanz in seinen Augen.
Bettys
Blicke wanderten skeptisch zwischen mir und Roger hin und her. Schließlich
kannte sie mich nun auch schon eine Weile, ihr Misstrauen war geschärft. Auch
Roger hob nun sein Glas, er trank Bier, wir ließen unsere Gläser aneinander
klacken, während wir uns tief in die Augen blickten, als wollten wir so unsere
neue Freundschaft besiegeln. In diesem Moment kehrte fast mein altes Mitleid
mit ihm zurück. Aber mein Entschluss war gefasst. Und er war unumstößlich.
Es
war gar nicht einfach, die beiden zum Kino zu überreden. Dabei war weniger
Luisa das Problem als Ulla. Natürlich wusste sie, auf was das Ganze hinauslief,
als sie hörte, dass Henry mit von der Partie war. Es auszusprechen war nicht
mehr notwendig.
„Und
du bist wirklich mit dabei?“, fragte sie zweimal nach und kaute so wild auf
ihrem Kaugummi herum, dass ihre Kiefer knackten. „Was soll das denn bitte
werden, wenn‘ s fertig ist?“
„Henry
will es so“, sagte ich. „Das gibt ihm Sicherheit. Aber keine Angst, ich guck
schon nicht hin.“
„Trotzdem,
muss das echt sein?“
„Wenn
nicht, können wir alles vergessen.“
Ich
blickte ihr bedeutungsvoll in die Augen und schließlich stimmte sie zu. Dass
auch Luisa mitkam, hatte ich nicht erwähnt.
Henry
hatte drauf gedrängt, nachmittags zu gehen.
„Ich
fühl mich einfach sicherer, wenn es bei Filmende draußen noch nicht
dunkel ist“, hatte er gesagt. Erst nach und nach kapierte ich, wie viel Angst
er hatte.
„Ich
hab keinen Schiss“, beteuerte er. „Ich hab nur keine Lust, mit offenen Augen in
ein aufgeklapptes Messer zu rennen.“
Wir
trafen uns vor dem Kino. Als Luisa fünf Minuten vor Beginn des Films noch nicht
da war, wurde ich zappelig.
„Auf
wen warten wir eigentlich noch?“, fragte Ulla, die bei mir stand, während Henry
nervös rauchend hin und her tigerte. Es schien, als grüble er über der Lösung
eines wissenschaftlich schwierigen Problems. Auch er hatte keine Ahnung, wen
ich noch erwartete.
Ich
bezweifelte, dass es gut war, Ulla jetzt bereits einzuweihen. Vielleicht bekam
sie am Ende noch einen hysterischen Anfall und verschwand, bevor alles begonnen
hatte. Das wollte ich auf keinen Fall riskieren.
Meine
Befürchtungen, dass Luisa nicht mehr kommen würde, wuchsen mit jeder Sekunde,
die sie nicht erschien. Hatte sie unsere Verabredung vergessen? Oder hatte Dean
hatte Wind davon gekriegt und sie zurückgehalten? Gerade wiederholte Ulla
ihre Frage nach der erwarteten Person, als Luisa um die Ecke kam. Abgehetzt sah
sie auf die Uhr.
„Gerade
noch geschafft“, schnaufte sie und lächelte leicht nervös.
Henry
vergaß glatt das Rauchen und Ulla kriegte den Mund nicht mehr zu. Beide blieben
stumm wie die Fische. Wenn Luisa ihrerseits überrascht war, konnte sie es gut
verbergen. Sie benahm sich, als seien wir vier seit Monaten unzertrennlich und
unser Aufeinandertreffen hier selbstverständlich.
Henry
und Ulla trotteten uns hinterher wie die Schafe zur Schlachtbank, gaben weiter
keinen Piep von sich. Das Kino war praktisch leer,
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