Sommertraume in Marbella
die vergeblich versucht hatte, sie aufzuhalten.
„Julia, was in aller Welt geht hier vor? Sie haben mir doch versichert, Sie hätten das ganze Restaurant für uns reserviert, aber Signor Bartoli behauptet, die Bestellung sei storniert worden.“
Beunruhigt sah Silas auf seine Armbanduhr. Er hatte geduscht, sich umgezogen, seine E-Mails gelesen und beantwortet und wollte jetzt mit Julia zu Abend essen. Inzwischen war sie schon über eine Stunde weg – mehr als genug Zeit, um ein kleines Missverständnis aufzuklären.
Bis zum Hotel brauchte er fünfzehn Minuten und dann noch einmal genau fünfzehn Sekunden, um die Empfangsdame zu überreden, ihn ins Büro des Managers zu führen. Schon bevor sie die Tür öffnete, hörte Silas laute aufgeregte Stimmen.
Wie ein Tier in einer Falle stand Julia in einer Ecke des Zimmers, während der Manager sie mit einem Wortschwall überschüttete. Auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch saß schluchzend eine Frau – vermutlich Julias Kundin – und fragte, warum ihre Party ruiniert worden sei.
„Signor Bartoli?“
Alle drei sahen Silas an. Bei seinem Anblick wurden Julias Augen ganz groß.
„Wer sind Sie und was wollen Sie?“, donnerte der aufgebrachte Manager. „Wenn Sie auch noch verlangen, dass ich meine Gäste aus dem Restaurant werfe und dort eine Party stattfinden lasse, die nicht bezahlt worden ist, dann …“
„Ich bin der Verlobte der Honourable Julia“, unterbrach ihn Silas ruhig, wobei er schamlos Julias Adelstitel verwendete. „Vielleicht kann ich von Mann zu Mann mit Ihnen reden?“ Ein Schweigen folgte, das er nutzte, um sein Scheckbuch herauszuholen. „Ich bin sicher, dass wir eine akzeptable Lösung für diese festgefahrene Situation finden. Mr. und Mrs. Silverwood haben nur die besten Erinnerungen an Ihr Hotel, Signore, und Sie wollen doch bestimmt, dass es so bleibt. Mrs. Silverwood hat ihr Herz an eine sehr persönliche Feier hier bei Ihnen gehängt. Ich denke, es übersteigt nicht Ihre Kraft, ihr diesen besonderen Wunsch zu erfüllen, trotz des Missverständnisses. Natürlich bin ich bereit, Sie für alle daraus entstandenen Unannehmlichkeiten zu entschädigen. Die Hotelgäste, die nicht an der Feier teilnehmen, werden sich zweifellos bereit erklären, irgendwo anders zu Abend zu essen. Ich habe bereits mit dem Manager meines Hotels gesprochen, dem Arcadia, und er hat mir zugesichert, dass Ihre Gäste dort essen können – auf meine Kosten.“
Ohne Julia anzusehen, sagte Silas zu ihr: „Julia, vielleicht möchte sich Mrs. Silverwood mit einem Glas Champagner stärken, während Signor Bartoli und ich die Angelegenheit abschließend besprechen.“
Es war zehn Uhr, und Silas hatte Julia gewarnt, dass er allein nach unten zum Abendessen gehen würde, wenn sie nicht in zehn Minuten geduscht und umgezogen wäre.
Sie hatte es in acht geschafft. Jetzt saßen sie im Restaurant und hatten gerade das Essen bestellt.
„Nicht zu glauben!“, entfuhr es Julia.
„Was kannst du nicht glauben?“
„Du weißt genau, was ich meine! Dass du Signor Bartoli zwanzigtausend Euro extra bezahlst, damit er Mr. und Mrs. Silverwood doch noch das Restaurant überlässt.“ Julia schüttelte fassungslos den Kopf.
„Was ist schief gegangen?“, fragte Silas.
„Ich habe keine Ahnung. Unsere Kunden bezahlen alle Einzelrechnungen, die wir in ihrem Namen bekommen, über uns. So halten wir die Gesamtkosten niedrig, und sie sind von Anfang darüber informiert, wie hoch die Kosten sind. Am Ende berechnen wir ihnen nur unsere Dienstleistung als Organisatoren.“
„Aber durch diese E-Mails hättest du doch merken müssen, dass es Probleme gibt.“
„Natürlich, hätte ich, wenn ich sie gesehen hätte, aber ich habe sie nie …“ Julia verstummte und lächelte den Ober an, der den ersten Gang brachte. Nach der Katastrophe im Büro des Hotelmanagers war sie körperlich und seelisch so überreizt, dass sie überhaupt keinen Hunger hatte. Silas sollte das jedoch nicht wissen. Schlimm genug, dass er Zeuge ihrer Demütigung geworden war und sie hatte retten müssen. Nun musste er nicht auch noch sehen, wie aufgeregt und erschüttert sie immer noch war.
Noch nie hatte Silas die emotionale Verletzlichkeit anderer Menschen vertragen können. Deshalb war sie in seiner Nähe immer defensiv und wachsam gewesen. Weil er selbst so unverwundbar schien, machte das einem die eigenen Schwächen umso stärker bewusst. Anscheinend glaubte er, das ganze Problem gelöst zu haben, indem er
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