Sommertraume in Marbella
Signor Bartoli mit Geld umgestimmt hatte. Aber Julia war jetzt ganz krank vor Sorge, weil sie nicht wusste, wie sie die Summe zurückzahlen sollte. Vom Geschäftskonto mit Sicherheit nicht. Auf Mallorca hatte Lucy ihr anvertraut, dass sie kaum noch kostendeckend arbeiteten, geschweige denn Gewinn machten. Eigenes Geld hatte Julia nicht, und obwohl ihr Stiefvater relativ wohlhabend war, würde sie ihn niemals um zwanzigtausend Euro bitten.
„Was ist los?“, fragte Silas, der beobachtete, wie Julia gedankenverloren ihre Suppe umrührte, anstatt sie zu essen.
„Nichts. Ich habe einfach keinen Hunger.“
„Es ist über zwölf Stunden her, dass du zuletzt etwas gegessen hast. Wie kannst du keinen Hunger haben?“
„Ich habe eben keinen. Und ich bin müde. Wenn du nichts dagegen hast, gehe ich nach oben … ins Bett.“
„Nur zu“, erwiderte er mit einem lässigen Schulterzucken.
Ich will mein Abendessen und nicht ihre Gesellschaft, versicherte er sich, als Julia aufstand. Und dieser scharfe kleine Stich, den er verspürte, war nur der Ärger, weil das wieder einmal typisch Julia war.
Angstvoll starrte Julia die Zahlen an, die sie auf ein Blatt Papier geschrieben hatte. Sie bekam Kopfschmerzen, und ihr war übel. Ganz gleich, wie oft sie mit den Zahlen jonglierte, sie würde niemals zwanzigtausend Euro auftreiben können. Schulden wollte sie nicht machen, und Ersparnisse hatte sie nicht. Ihre Familie war zwar reich, aber das Geld steckte in Grundbesitz – wie zum Beispiel Amberley und der Londoner Wohnung, in der Julia lebte. Doch diese Vermögenswerte sollten für zukünftige Earls erhalten bleiben und gehörten ihr nicht.
Trübsinnig blickte Silas in sein Weinglas. Der kräftige Barolo müsste eigentlich warm und gut abgerundet schmecken, keinesfalls aber säuerlich. Oder lag es an seiner Stimmung und nicht am Wein? Und warum sollte er sauer sein? Doch wohl nicht, weil Julia ihn allein gelassen hatte? Er aß oft allein, was er im Grunde sogar vorzog. Mürrisch blickte er auf seinen Teller. Das Steak war genau so gebraten, wie er es gern mochte, trotzdem hätte er ebenso gut Sägemehl essen können. Um nicht noch schlechtere Laune zu bekommen, schob Silas den Teller weg und winkte dem Ober.
Im Fahrstuhl fragte er sich, was mit ihm los war. Warum war er nicht im Restaurant geblieben und hatte sein Essen beendet? Warum war sowohl das Essen als auch der Abend ohne Julias Gegenwart fade und reizlos geworden?
Immer noch in die Zahlen vertieft, hörte Julia die Tür zur Suite nicht aufgehen und sah Silas erst, als er schon vor ihr stand.
„Was ist das?“ Er nahm das Blatt Papier in die Hand und starrte die kleinen Summen an, die sie immer wieder besorgt hingeschrieben und addiert hatte. „Glaubst du im Ernst, ich erwarte von dir, dass du mir das Geld zurückzahlst?“, fragte er scharf.
„Warum nicht? Ich weiß, dass Lucy es nicht kann“, erwiderte Julia. „Die Firma macht keinen Gewinn mehr. Und wenn wir das Geld nicht auf dem Geschäftskonto haben, fühle ich mich verpflichtet, es selbst zurückzuzahlen. Weil ich für das Fest der Silverwoods verantwortlich bin.“ Erstaunt beobachtete sie, wie Silas den Zettel wütend zusammenknüllte und in den Papierkorb warf.
Warum ihn Julias Erklärung so stark berührte, konnte er nicht sagen. Genauso wenig wusste er, warum es ihn so wütend machte, dass sie glaubte, er wolle das Geld zurückhaben. „Du bist meine Verlobte, erinnerst du dich? Ich habe dem Hotelmanager das Geld gegeben, weil ich keine verzweifelte und gestresste Verlobte haben will. Also habe ich es auch für mich getan. Lucy braucht nichts davon zu erfahren, und es gibt keinen Grund, mir das Geld zurückzuzahlen“, sagte er.
„Aber unsere Verlobung ist nicht echt. Und selbst wenn wir richtig verlobt wären, würde ich dir das Geld zurückzahlen.“
„Warum?“
„Weil ich es nicht mag, was aus einer Beziehung wird, wenn einer den anderen finanziell oder sonst irgendwie ausnutzt. Wie könntest du mich respektieren? Wie könnte ich mich selbst respektieren, wenn ich mich von dir finanziell unterstützen lasse? Ich habe nicht so viel Geld wie du, aber wenn wir wirklich ein Paar wären, würde ich dir in allen anderen Dingen ebenbürtig sein wollen.“
Schweigend verarbeitete Silas, was sie gerade gesagt hatte. Sie überraschte ihn. Wie konnte diese junge Frau, die ständig Schuhe kaufte und beruflich in der oberflächlichen Jetsetszene verkehrte, so viel Verantwortungsgefühl und Stolz
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