Sommerzeit
kümmern.«
»Schafft sie das?«
»Aber klar, sie kommt doch vom Handelsgymnasium. Und sie hat eine Menge Kurse besucht. Eins steht fest – wir werden dafür sorgen, dass alle Löhne ausbezahlt werden und die Angestellten zufrieden sind. Aber im Moment können wir rein gar nichts machen, weil die Polizei sich unsere Buchführung gekrallt hat.«
»Sie und Peter waren also eigentlich unterschiedlicher Meinung darüber, wie die Firma geleitet werden sollte?«, fragte Pia.
»Nein, verdammt noch mal. So sehe ich das nicht. Nicht in dieser Weise, nein. Wir hatten eine gute Zusammenarbeit, Peter und ich.«
Fårösund, 18. Juli 1985
V era wurde von einem Gefühl der Unwirklichkeit erfasst, als der Bus aus Visby zum Fähranleger von Fårö hinunterfuhr. Vor ihnen öffnete sich das Meer, auf der anderen Seite des Sundes lag Fårö. Die Autofähre pendelte zwischen den beiden Inseln, und die Autos standen vor dem Anleger Schlange.
Das Boot nach Gotska Sandön würde auf der Seite des Kais anlegen, und dort hatte sich bereits eine Gruppe gebildet. Ehe sie sich dieser Gruppe anschlossen, wollten sie im Supermarkt noch die letzten Vorräte einkaufen. Auf der Insel gab es keinen Laden, deshalb mussten sie ihre Verpflegung selbst mitnehmen. Oleg lief enthusiastisch zwischen den Regalen herum, während Sabine, die Mutter der Mädchen, einen Zettel in der Hand hielt und die Einkaufsliste abhakte.
»Möchtet ihr sonst noch was, Mädels?«, fragte Oleg. »Wir müssen unser Gepäck nicht tragen. Ein Traktor wird uns abholen, deshalb macht es nichts, wenn wir ein bisschen mehr mitnehmen. Also nehmt euch, worauf ihr Lust habt.«
Er streckte die Hand nach einigen Tafeln Schokolade aus, und gleich darauf rief er:
»Käse und Kräcker sind wunderbar, wenn wir abends mit einem Glas Rotwein aufs Meer hinausschauen. Und wir haben doch sicher Kerzen eingepackt.«
Unten am Kai, wo das Boot erwartet wurde, sammelten sich immer mehr Reisende. Ein Berg aus Rucksäcken, Kühltaschen und Kisten voller Lebensmittel türmte sich am Kai auf. Es gab Familien mit Kindern, Paare und naturbegeisterte Vogelliebhaber. Richtige Enthusiasten, dachte Vera, als sie die Ferngläser und umfangreiche Ausrüstung sah. Sie schienen auf das Leben in Wald und Feld gut vorbereitet zu sein. Alle trugen grobe Stiefel oder hatten sie zusammen mit Thermoskanne und anderen Dingen an ihren Rucksäcken befestigt.
Die Stimmung war erwartungsvoll.
»Seht mal, jetzt kommt sie!«
Oleg stand mit dem Fernglas da, schaute aufs Meer hinaus und hatte die Fähre entdeckt. Gleich darauf konnten alle sehen, wie das weiße Boot sich näherte. Es war nicht sonderlich groß. Ein junger Mann trat auf das Vorderdeck und warf eine Trosse aus. Langsam und sicher legte der Kapitän an. Die Fahrgäste an Bord bildeten eine Kette und reichten das Gepäck an Land. Rucksäcke, Taschen und aufgerollte Zelte wurden von Arm zu Arm Richtung Kai geworfen, wo zwei sehnige ältere Männer sie entgegennahmen. Oleg griff bereitwillig mit zu.
Als sie endlich an Bord durften, liefen Vera und Tanja rasch nach achtern, um sich während der zweistündigen Überfahrt so viel Sonne wie möglich zu sichern.
Behaglich zurückgelehnt sahen sie den kleinen Ort Fårösund und auf der anderen Fårö in der Ferne verschwinden.
Dann hatten sie das offene Meer erreicht.
Vera lauschte auf den dröhnenden Motor, das Geschrei der Möwen und das Geplauder der Fahrgäste. Sie freute sich auf den Aufenthalt auf der Insel.
K nutas freute sich durchaus nicht über den Bericht, den die Regionalnachrichten am Abend brachten. Mit resignierten Gesicht saßen Karin und er vor dem Fernseher.
Auf dem Bildschirm war Johan Berg irgendwo auf Gotland auf einer Baustelle zu sehen, unmöglich zu sagen, wo.
»Hier sehen wir eine der Baustellen, die Slite Bygg betreut, die Firma des Opfers Peter Bovide. Hinter mir wird ein klassisches Kalksteinhaus gleich am Meer errichtet. Hier arbeiten einige der Bauarbeiter, die vorübergehend bei der Firma angestellt sind. Und nach Informationen der Regionalnachrichten sind gerade diese Bedarfsarbeiter unzufrieden mit Lohnauszahlungen und Arbeitsbedingungen. Aus mehreren unabhängigen Quellen haben wir erfahren, dass Peter Bovide im vergangenen halben Jahr mehrmals bedroht worden ist, und dass die Drohungen mit seinen Aushilfskräften zusammenhingen. Mitarbeiter der Firma teilten uns mit, dass das Mordopfer für die Lohnauszahlungen zuständig war. Kein anderer Mitarbeiter von Slite
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