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Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Titel: Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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war doch schön, die Zeit, die man nach mir gemessen... Vielleicht hat er ja das Beste gewollt, jedenfalls zeitweilig. Man sagt, daß die Plattenbauerei ein Fehler war. Schulden hat er gemacht, die wir jetzt bezahlen müssen. Die letzten Aufnahmen vom 40. Jahrestag, mit Gorbatschow und den Getreuen im Festsaal, und an dem Palast schoben sich die wütenden Protestierer vorbei. Im Dämmerlicht prügelnde Polizisten, quietschende Frauen, und drinnen wird mit Sekt angestoßen, da wird sich abgeküßt. -
    Wie Reagan damals in Bonn dem Lärm der 100 000 irregeleiteten Friedensdemonstranten lauschte.«Horch, was kommt von draußen rein …»Einen Cowboy nannten sie ihn, war aber ganz richtig, der Junge.

Nartum Mi 4. September 1991, Sonne, trocken
     
    Tag der Solidarität des CIMEA
mit dem Volk und den Kindern Chiles
    Im«Spiegel»steht, daß von SU 1990 14,5 Mia. Dollar an Kuba gegangen sind -«so viel wie sich Gorbatschow im März von Kohl erflehte», KPdSU habe kurz vor dem Putsch 3 Mia. an Saddam Hussein überwiesen. Wieso der bei seinem Ölreichtum überhaupt Kredite brauchte, ist mir unverständlich. – Auch einen Film drehen über den Prunk und die Verschwendung der Großen.
     
    Gestern traf ich mich mit Paeschke in Hamburg. Er war erstaunt, daß«Echolot»zwei- oder gar dreibändig (plus Register). Das lasse sich nicht verkaufen. Ich wies auf die Ausgangslage hin, daß ich das von Anfang an gesagt hätte und daß darauf die Verträge fußen. – Vielleicht sollte man 1000 Exemplare für Bibliotheken und Enthusiasten machen, dann Studienausgabe.
    Von Tagebuchpublikationen riet er ab, ob ich mich denn nicht als Romancier verstünde? Es müsse wieder ein Roman kommen. Tagebücher gingen nicht.
    Wir einigten uns schnell auf«Am Ende der Welt»als Titel für den Dorfroman, was mir selbst auch plausibel vorkommt. Zu den gleichen Konditionen wie«Hundstage», per Handschlag. Das heißt, daß meine Lebensfinanzierung also bis 1996 gesichert ist. Der«Dorf»-Roman sollte zu meinem 65. Geburtstag erscheinen.
     
    Beschwingt in die Kunsthalle, wo wir einem Vortrag über Farben zuhörten, in welche Richtung mittelalterliche Farben verschießen. Danach im Auktionshaus Bilder angesehen. In der Kunsthalle hängt das Bildnis der Gertrud Moller, einer«Ahnfrau»von mir, aus dem Jahr 1618.
    Dann zu Raddatz, zuerst ganz unwohl, saß mit Hildegard auf dem Balkon mit Lettau und Rühmkorf zunächst, dann mit Platscheck, über den wir alle sehr lachten. Er bezeichnete sich als Stasi-Major, der u. a. auch über mich Berichte abgeliefert hätte. Er versuchte dann, mein Poesiealbum in Brand zu setzen. – Lettau sagte, er habe in Berlin 50 000 Freunde. Seiner Pirouetten-Freundin (1976 in La Jolla!) war nachzutragen, daß sie damals einen roten Stern getragen hat und mich wegen Bautzen attackierte.
    Lettau damals:«Laß doch …»

     
    Albumeintrag Reinhard Lettau:«Preußische Offiziere»
    Kaiser mit seinen Grübchen war da; Grass, der nichts übelnahm, weil nichts gelesen. Offenbar hat er auch niemanden, der ihm Bericht erstattet. Wir hielten uns in verschiedenen Zimmern auf.
    Mit Monk kurz gesprochen.
    Ein angeblicher Enkel von Einstein war anwesend, in einem engen weißen Nachthemd in Begleitung eines Jünglings, dessen Vater angeblich mit mir im Knast gesessen.
    Eva Rühmkorf sprach mit Hildegard. Sie nehme es ihrem Mann nicht übel, wenn der mal den Waschlappen im Becken liegen lasse, das war die Quintessenz ihres Gesprächs mit Hildegard. Früher war sie mal sehr nett zu mir. Lüngi:«Meine Frau liest alle deine Bücher …»
    Bittel sagt, Paeschke habe M/B als«süffigen Text»bezeichnet.

     
    Albumeintrag Hans Platschek
    «Spiegel»über das Buch des ehemaligen ungarischen Außenministers Horn:
    Rückblickend geradezu sensationell lesen sich wie beiläufig erzählte Details über die sowjetische SS-20-Rakete, die zur in Deutschland umstrittenen Nato-Nachrüstung und schließlich zu jenem Rüstungswettlauf führte, der dem Sowjetimperium das Rückgrat brach.

Nartum Fr 6. September 1991
     
    «Die SU existiert nicht mehr.»Das sagen die Leute im Radio.
    «Die KPdSU ist verschwunden.»
    Ein sonderbares Ende des Kolosses. Eine solche Eintragung reicht eigentlich für ein ganzes Jahr, für das Jahrhundert! Und wie der Dolmetscher 1948 sich brüstend vor mir, dem hungrigen, frierenden Häftling, der da auf dem Schemel vor ihm saß, auf und ab ging. Ich allein hätte mich gegen 200 Millionen Menschen aufgelehnt! Ob ich mir das mal

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