Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)
haben und die bespitzelt wurden, dadurch ist eine Haltung entstanden, durch die diese Menschen völlig unsicher sind. Am Rechtsradikalismus merkt man es. Und mir sind die Skinheads schon hier im Westen unheimlich. Und wenn nun noch das Gefühl dazukommt, daß man jahrelang beschissen wurde und daß diese Leute nun wieder das Gefühl haben, daß sie beschissen werden? – Eine unangenehme Mischung von Dummheit und Borniertheit – solche Leute gibt’s da oft.
Unser bescheidenes Mittelstandsauto wurde eingetreten, in Schwerin. Die Sinnlosigkeit der Aktion hat mich so geärgert. Wenn jemand einen 500er Mercedes mit dem Fuß tritt … Aber mein kleines Auto? Vielleicht hat ihnen die Farbe nicht gefallen. – Ich habe die DDR sehr schnell als Ausland gesehen. Da ich nie Bindungen nach drüben gehabt habe, hab’ ich die nicht als Brüder und Schwestern gesehen. Wir Studenten von’68 waren oft geneigt, Anklagen gegen das DDR-Regime für übertrieben zu halten und daß das da drüben eigentlich das Bessere ist.
Ein anderer:
Wir haben ein Erbe übernommen, ich weiß gar nicht, wie wir damit klarkommen sollen.
Im«Rheinischen Merkur»steht, daß Sacharow 1983 in einem offenen Brief an den amerikanischen Physiker Sidney Drell den Westen mahnte,«daß er nur über eine Nachrüstung zu einer echten Abrüstung gelangen kann.»Wie wahr! Und durch den Gang der Ereignisse bestätigt.
«Sie hat einen Strichmund, der allmählich voller wird, je mehr sie sich in den Couchpolstern entspannt»(Roland Muschke im«Rheinischen Merkur»über Gabriele Henkel).
Eduard Neumaier hat im«Rheinischen Merkur»eine unglaubliche Kitschblase losgelassen:«Blut von der Barrikade.»«Hier in der Heimat ordnet sich alles zum Flehen zusammen …»
Donnerwetter. Das Riesenrestaurant Arbat befände sich einen Speerwurf vom sinnentleerten Gebäude des ehemaligen«Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe»entfernt. Er hat«die Achterbahn des Flüchtens»erfunden.
Sicher befinden sich in dem Artikel noch mehr Stilblüten, leider kann ich, angeekelt, nicht weiterlesen.
Die evangelische Kirche hat eine neue Gottesdienstordnung herausgebracht. Die Gemeinde soll jeden Gottesdienst frei gestalten! – Gott sei Dank gehöre ich diesem sauren Verein nicht mehr an. Es ist nicht mehr dieselbe Kirche, in der ich als Kind getauft wurde.
Bautzen, da hat man sein Fleisch und Blut gegeben und wurde hinterher ausgeätscht dafür.«Da sieh du zu...»
Sie möchten so gern, daß Moskau Prag und Budapest übertrifft. Wer nennt die Namen der Toten, die es am 17. Juni gegeben hat? Das KGB hat jetzt einen«rechtlich denkenden»Chef bekommen. Der hat versprochen, daß die Archive des KGB unangetastet der Wissenschaft zugänglich gemacht werden. Aber er verspricht, daß die Listen der Agenten natürlich niemand zu sehen kriegt! Warum eigentlich nicht?
FAZ:«Bis zum Sturz der kommunistischen Regime in Mittel-und Osteuropa galt es in den besseren linken und liberalen Kreisen des Westens, vor allem Westdeutschlands, als unfein, antikommunistisch zu sein …»
Ja, und das ist mir bis heute rätselhaft, anstößig, ekelhaft. Hurenhaft.
2007: Und es ist noch heute so.
Diese Leute heute dingfest zu machen nützt nichts, weil sie sagen würden: Tut uns leid, wir haben uns eben geirrt. Wenn ich es bloß verstehen könnte, warum dies so war oder sein mußte.
2007: Die Effizienz des MfS. Das viele Geld, das rüberkam, die Lockspeise.
Michael Ploetz:«Wie die Sowjetunion den Kalten Krieg verlor. »
In Bargteheide kam ein Mann nach der Lesung zu mir, den meine Schilderung von Rosenau in M/B an sein Heimatdorf erinnerte.
Sport: Heike Henkel springt über die Latte. Das Gesicht war zu beobachten: vom schönen Mädchen ins Willenstarke, schließlich fast Tierische, und dann wieder Mädchen.
So geht’s.
Wer vorher schon wie ein Tier aussieht, hat schlechte Karten.
Heute war die wohl 80jährige Wencke Myhre zu sehen. Gott! Wer will die noch sehen? Damals hat sie uns schon Jahre versaut, und nun fängt sie noch einmal von vorne an?
Alles geht weiter wie bisher: Der KGB in der SU macht weiter. Den Abriß des Denkmals von dem KGB-Gründer haben sie vom Lubljanka-Gebäude gefilmt, um die Täter«später»identifizieren zu können.
Der Abzug der Omon-Einheiten in Lettland:«Wir kommen wieder!»Zigtausende von Letten wurden in den Gulag transportiert. Wo sind sie? Kamen sie alle wieder?
Zahl der Maueropfer viel höher als bisher
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