Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
seine dreckigen, nach Morast stinkenden Genossen. Er hielt einen Ast in die Höhe und schien mit ernstem Blick die ihm gegenübersitzenden Kreaturen zu dirigieren. Einen Untoten, der Waldipert ähnelte, vielleicht Waldipert war und einen Haarigen, der gemeinsam mit dem Untoten summte und wippte. Vincent erreichte die Abandonier und Tarabas stockte der Atem. Er wartete darauf, dass jeden Moment etwas Hässliches passieren würde.
Vincent setzte sich neben seinen Artgenossen und der Ork stimmte ein neues Summen an. Mit dem Ast als Dirigierstab.
Tarabas überlegte, was er nun tun sollte. Es fühlte sich harmlos an, trügerisch harmlos. Wie damals bei Waldipert. Der Kopfschmerz wurde stärker, er musste ihn lindern. Auch musste er diese Angst bekämpfen! Ihm war nach dem Aphrodisiakum, den Nebenwirkungen zum Trotz, denn das schien das geeignete Mittel zu sein. Wasser, er brauchte Wasser, das er verwandeln konnte und so machte er sich auf die Suche.
***
Tarabas erreichte eine Anhöhe und entdeckte einen Weiher. Eine Wolke, von der Nacht geschwärzt und mit der Form eines Hopplers spiegelte sich darin. In der Nähe plätscherte ein Bächlein. Im ersten Moment dachte er, es wäre ein Tier gewesen und erschrak. Er brauchte das Aphrodisiakum, dieses Berauschtsein, damit es mit der Angst ein Ende nahm. Er formte mit den Händen eine Mulde und schöpfte Wasser aus dem Weiher. Ein wenig verschüttete er, weil ihm die Hände zitterten. »Lomasd! Barodase!« Ein kräftiges Rosa nebelte über dem Wasser in seiner Handmulde und er hoffte auf gute Träume. Nicht wie damals in seinem Zimmer, als gefräßige Fliegenhaie auf ihn zugeschwommen kamen. Es musste klappen diesmal, und am besten ohne Nebenwirkungen.
Das Aphrodisiakum schmeckte nicht so herb wie gedacht. Es floss die Kehle hinab und im Magen breitete sich ein warmes Gefühl aus. Der Schmerz im Kopf ließ nach, alle Angst war bald vergessen. Er lächelte seine Hand an, die nicht mehr zitterte und noch mit einem Hauch Rosa versehen war. In seiner Freude tanzte er auf der Wiese umher und zupfte das Gras zu seinen Füßen büschelweise aus. Mit einem Zauber bedacht, warf er die Halme von sich. Sie wirbelten wie ein kleiner, grüner Orkan, und ein Hund mit einem Fell aus Gras setzte vor ihm auf der Wiese auf.
»Wuff! Wuff!«, wuffte er und sah Tarabas treudoof mit seinen Kastanienaugen an. Eine Zunge aus Kleeblättern hechelte aus seinem Dornenzahnmaul. Sein Schwanz war aus Zweigen gemacht. »Wuff! Wuff!«
Tarabas nickte zum Mond. »Los! Hol ihn mir!«
Der Hund sprang hoch, doch er schnappte immer wieder ins Leere. Tarabas schnalzte mit der Zunge, worauf dem Hund an beiden Seiten große Rosenblätter wuchsen, die als Flügel dienten. Er schwang sich bellend in die Lüfte, um mit dem Maul den Mond vom Himmel zu pflücken. Zweigenschwanzwedelnd brachte er den Mond zu Tarabas.
»Braves Kerlchen.« Er tätschelte den Hund, darauf zerfiel der in seine Bestandteile und verwuchs mit der Wiese. Tarabas betrachtete den Mond, der wie ein weißer, flacher Stein in seiner Hand schimmerte. Er säuberte ihn von den Wolkenfusseln, dann ging er in die Hocke und ließ den Mond über die Wasseroberfläche springen. Einige Male sprang er auf, dann ging er im Weiher unter. Die Wellen, die er ausgelöst hatte, waren mit einem Schimmer überzogen.
Tarabas stieß einen seligen Seufzer aus und wollte sich gerade schlafen legen, als auf der anderen Uferseite eine Meerjungfrau auftauchte. Die dicke, zerkratzte Meerjungfrau, die ihn damals erschreckt und Vincent das Leben gerettet hatte. Sie hielt den Mond bei sich auf dem Schoß und schien mit ihm zu sprechen.
Irgendetwas musste mit dem Aphrodisiakum schiefgelaufen sein, so grotesk wie seine Einbildung war. Tarabas schlenderte um den See, um dieser Merkwürdigkeit nachzugehen.
Auf dem Schoß der Meerjungfrau lag der Mond und an dessen Rand hielt sich ein kleiner Mann fest. Er wischte sich die nassen Haare aus dem Gesicht und keuchte schwer.
»Alles ist gut«, murmelte die Meerjungfrau. »Jetzt bist du in Sicherheit.«
Tarabas kam all das so surreal vor, dass er mutmaßte, von der Siamesischen Zwillingswespe gestochen worden zu sein. Das wäre nicht mal so schlecht. Vielleicht würde er ja auch nur Vincents Gefangenschaft halluziniert haben. Und die Rettung. Und die Flucht.
Vielleicht erwachte er jeden Augenblick aus dem Albtraum und sein Großvater wäre noch immer über ihm im Gemälde und kein zerrieselter Haufen, in alle
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