Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
auf dem Hexer festgezurrt. Er stolperte über den Ameisenhaufen und kam auf dem offenen Feld zum Liegen. Mühevoll rappelte er sich auf, mit der Hand hielt er den anderen Arm. Noch ein Blick zurück, dann humpelte er los.
Garibald wedelte das Taschentuch aus, einige Rotzfäden lösten sich. »Stellt euch auf«, sagte er leise, und nachdem er sich fertig geschnäuzt hatte, machte er den Haarigen ein verlockendes Angebot: »Wer den Kopf des Haarigen spaltet, bekommt von Uldin eine besondere Essensration.«
Jorge und Telo traten übermütig vor und warfen ihre Beile. Sie verfehlten. Dann versuchten es die anderen. Birinus duckte sich, so gut es ging, schlug Haken wie ein Hase, mit der Schnelligkeit einer Schnecke und er hatte einfach großes Glück.
Als Letzter war Vincent an der Reihe, doch er zögerte.
»Mach schon!«, rief Garibald und stierte mit einem Auge auf Vincent, mit dem anderen auf Birinus. »Sonst ist er zu weit weg.«
Vincent holte aus. Birinus sah über die Schulter zurück und humpelte merklich zügiger davon. Vincent ließ das Beil so aus der Hand rutschen, dass es bereits nach wenigen Metern zum Liegen kam. Telo lachte verächtlich.
Birinus verschwand zwischen den beiden Felsen, die den Verdammus-Pass einkeilten. Er würde den Abandoniern als Fraß dienen. Dennoch war Garibald verstimmt. Er sah Vincent erstmalig mit beiden Augen an. Mit einem Blick deutete er an, dass er ihm nichts vormachen konnte.
»Morgen«, verkündete der Hexer, »werden wir wissen, wer wirklich der Sache dienen möchte und sich auch nicht scheut, eine Frau zu töten.«
Vincent war in diesem Moment klar, dass damit die Hexe gemeint war.
***
Unter einem Vorwand ließ er Sinibaldo bei Tarabas zurück. Er habe Fieber, sich von Garibald angesteckt, und wolle dem Maulwurf mit seinem Husten nicht die Nacht verderben. Es klang wenig überzeugend, aber der Freund hakte nicht weiter nach.
Vincent versteckte sich in der Nähe der Waldlichtung und wartete ab. Sie mussten den Holzkäfig sichtbar machen, wollte Garibald die Hexe für die morgendliche Übung missbrauchen. Es dämmerte bereits, und Vincent war am Einschlafen, als er sie kommen hörte. Der Hexer und die beiden Einäugigen. Mit welcher Arroganz Garibald den Zauberstab schwang und den Zauberspruch murmelte. Gleichzeitig tupfte er mit dem Taschentuch seine Augenbrauen.
Der Holzkäfig wurde sichtbar und die Hexe fetzte darin wie eine wild gewordene Raubkatze. Einem Einäugigen entlockte das ein Schmunzeln.
Vincent tastete nach einem Stein. Als die Einäugigen die Tür öffneten, warf er nach Garibald und traf ihn an der Schläfe. Sein Grinsen erstarb. Er sackte auf die Knie, der Oberkörper schwankte, dann lag er da, der Zauberstab und das Taschentuch glitten ihm aus der Hand.
Die Einäugigen waren dadurch einen Moment unachtsam, den die Hexe nutzte, um deren Köpfe gegeneinanderzuschlagen.
Vincent trat aus seiner Deckung hervor und ihre Blicke begegneten sich. Es war für ihn ein zauberhafter Moment, so sehr war er von ihren Augen gebannt. Sie lächelte ihn an und wandte sich ab, um sich nach Abandonien aufzumachen. Sie konnte es nicht lassen, Garibald kräftig in die Seite zu treten und zu bespucken. Der regte sich, die Hexe lief davon. Er tastete nach seinem Zauberstab, aber als er ihn zu fassen bekam, war sie schon verschwunden.
Vincent wollte in seine Deckung zurück, da schlängelten Zweige auf ihn zu. Sie banden sich um seine Fußgelenke und verwurzelten ihn in der Erde. Egal, wie sehr er sich auch zu befreien versuchte, er war zu schwach. Ein Schatten baute sich vor ihm auf, und als er hochsah, schnaubte ihn der Hexer an. Garibald betastete seine Stirn und sah auf die blutvolle Spucke, die er mit dem Finger aufgesammelt hatte.
»Ich war in der Gegend, und als ich euch hörte, wollte ich zu Hilfe eilen«, erklärte Vincent und wollte sich herauswinden. Doch das gelang ihm genauso wenig wie zuvor bei den Ästen. Garibald schlug auf Vincent ein, bis er das Bewusstsein verlor.
Als er wieder erwachte, war es dunkel um ihn. So dunkel, dass er die Hand vor Augen nicht sehen konnte. Er dachte, dass er erblindet wäre, und tastete umher. Er bekam unförmiges Holz zu spüren, da wusste er, wo er sich befand: in der Todeskammer.
Ihm brummte der Schädel und die Tränen, die in seine Augen stiegen, brannten entsetzlich. So hatte er sich sein Ende nicht vorgestellt. Das Leben zog an ihm vorüber, und das, obwohl er noch nicht gestorben war.
Da hörte er
Weitere Kostenlose Bücher