Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
hoch hinauf zum Verdammus-Pass bringen sollte. Er hatte ihn nie ausprobiert und könnte ihn auch nie üben. Es gab da nur eine Chance. Fackeln entzünden, das dürfte ihm keine Schwierigkeit bereiten. Oder aber er flüchtete tatsächlich, überließ die Abandonier ihrem Schicksal und hoffte, dass ihm später das Gewissen nicht allzu sehr zu schaffen machen würde. So ganz wollte er sich dieser Möglichkeit jedenfalls nicht verschließen.
***
Im Wald hinter dem Rosenfeld, nahe dem Felsbrocken, trafen sich Vincent und Rodelinda in jeder Nacht. »Warum diese Geheimnistuerei?«, wollte sie von ihm wissen und streichelte die Haare an seinen Wangen glatt.
»Tarabas ist in dich verliebt. Das habe ich dir schon einige Male erklärt.«
»Mir kommt es vor«, bemerkte sie traurig, »als wäre meine Liebe zu dir verstoßen worden.«
Er seufzte. Er wollte Tarabas nicht verletzen, ihn aber auch nicht verärgern, schließlich war er die Hoffnung der Abandonier. Vincent traute ihm zu, und es wäre auch verständlich, dass Tarabas das Land durch die Höhle verlassen würde, wüsste er von dieser Liebe.
»Es ist nur für eine gewisse Zeit. Wenn wir Uldin überleben, werden wir glücklich und zufrieden Rosenblätter zählen können bis ans Ende unserer Tage und alle dürfen es sehen.«
»Und wenn wir Uldin nicht überleben? Dann hat niemals jemand von unserer Liebe erfahren …«
»Ist dir das so wichtig?«
»Dir nicht?«
»Hm.«
»Ich habe es satt, mich anderen zu beugen. Es ist mein Leben und ich will dazu stehen. Wir tun nichts Verbotenes, wir lieben uns. Ich hab Tarabas niemals etwas versprochen.«
»Bitte, Rodelinda. Warte, bis der Kampf vorüber ist.«
Sie zerknackste einige abgefallene Äste und warf sie gegen den Felsbrocken. »Alle sollen es wissen, nicht nur mein Tagebuch.« Sie schloss die Augen und einige Tränen schlüpften zwischen den Lidern hervor.
»Wenn wir Tarabas verärgern und er abhaut, dann wird es ganz sicher keine Zeit nach Uldin geben. Er ist unsere einzige Chance.« Vincent wischte ihr die Wangen trocken.
»Dann«, meinte sie und nahm seine Hand, »müssen wir die Zeit noch nutzen, die uns bleibt.« Sie küsste seine Finger, an denen ihre Tränen schimmerten, und legte ihre Brüste frei.
»Du gehst nicht zu Tarabas. Bitte nicht«, flüsterte er.
»Schscht.« Sie legte seine Hand auf ihre Brust und fasste ihm zwischen die Beine.
***
Der Holzbottich, der als Elfenurin-Auffangbecken fungierte, stand vor der Waldiperts Baracke und war mit einem engmaschigen Geflecht überdacht worden, nicht dass Regen das Gepinkelte verdünnte.
»Zwergel! Bring mir Wasser. Mich gelüstelt nach einem Drink.«
Missmutig sah Goncko auf die Elfe, die es sich im Schatten des Bottichs gemütlich gemacht hatte und eine Stechmücke von sich wedelte.
»Na loohhoos!«
»Soll ich dir deine Flügel einzeln ausreißen?«
»Nicht so feindelig. Ich brauch Wasser, sonst gibt’s nichts, was ich pinkeln könnte.«
»Soll ich es holen?«, fragte jemand über ihnen. Es war Waldipert. Er guckte aus dem Fenster.
»Ja«, antwortete Goncko. »Ich hab vom vielen Schleppen schon Blasen auf den Zehen.«
»Nö. Ich trinke nur Wasser, das Zwergel bringt. So war die Klausel.«
Goncko knurrte und machte das Zeichen, dass er ihr am liebsten den kleinen Hals umdrehen würde. Es war ihm ein Rätsel, dass er für sie überhaupt Gefühle empfunden hatte. Wie sich jemand durch so ein Privileg zum Schlechten verändern konnte, erstaunte ihn.
»Dursti«, rief sie. »Ist schon was da?«
Genervt stapfte Goncko zum See. Als er am Wald vorbeimarschierte, schimmerte in der Abendsonne etwas Gelbliches zwischen den Bäumen. Er trat näher heran und sah, dass dort etliche Zitronen aufgehäuft waren, über die zwei Schnecken schleimten. Der Saft schmeckt bestimmt nicht viel anders als Wasser, dachte Goncko und grinste bis über beide Zwergsohren. Das wird der Elfe munden.
Er quetschte etlichen Zitronen den Saft aus der Frucht in den Holzbecher, und um den säuerlichen Geruch etwas einzudämmen, nahm er eine Schnecke und fuhr sie ihm Saft herum. Sie würde hoffentlich den Geschmack neutralisieren. Nachdem sich die Schnecke auf Madengröße zusammengezogen hatte, war es genug. Goncko schlenderte mit dem Gesöff zurück zur Elfe. Er musste sich beeilen, schließlich hatte sie Durst, und er beeilte sich gern trotz der Blasen.
»Na entelich«, seufzte sie, als er ihr den Holzbecher reichte. Als sie zum Trinken ansetzen wollte,
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