Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
landete die Stechmücke auf ihrem Bein. Mit einer hastigen Bewegung wischte sie nach dem Insekt, worauf der Holzbecher aus der Hand rutschte und den Zitronensaft auf die blasengeplagten Füße des Zwerges kippte. Er schrie so laut, dass sich die Elfe die Ohren zuhalten musste. »Jetzt schrei halt nicht so rum, du Schreidings. Ist doch nur Wasser.«
»Goncko«, rief jemand aus der Entfernung. Es war Vincent, der zusammen mit Waldipert und Saxo von Falkenthal am Ende der Baracke stand. »Unterhalte dich mit der Elfe. Aber etwas leiser. Wir müssen was testen.«
Immer noch mit brennenden Zehen zischte Goncko durch die zusammengebissenen Zähne: »Hast du gehört, was wir tun sollen?«
»Ich bin ja nicht so taub wie du.« Die Elfe sammelte den Holzbecher ein. »Dann unterhalten wir uns eben ein bisschen, bis du mir noch mal Wasser holst.«
»Schleck es vom Boden auf. Wenn du dich von Mücken stechen lässt, ist das nicht mein Problem.«
»Auch Elfen machen mal Fehler.«
»Du bist ein laufender Fehler, sonst nichts.«
»Ah ja? Wer kann uns denn hier das Leben retten. Du oder ich? Hä?«
Goncko schwieg. Er setzte sich im Schneidersitz zu der Elfe und starrte auf den feuchten Fleck, an der sie den Holzbecher ausgeschüttet hatte. Plötzlich bewegte sich dort die Erde. Im ersten Moment dachte er, irgendwelche Abgründe würden sich auftun, als eine Maulwurfsschnauze aus der Erde spitzte, dann der Kopf und dann Sinibaldo ganz und gar herausgeschlüpft war und nur mehr röchelte.
»Zwergel, hilf ihm doch«, rief die Elfe. Noch bevor Goncko aus dem Schneidersitz kam, war auch schon Vincent zur Stelle, hob seinen Maulwurf auf und beatmete ihn durch den Mund. Waldipert und Saxo von Falkenthal kamen hinzu.
»Das ging dann wohl schief«, sagte der Untote geknickt.
»Wäre das der Ernstfall gewesen, wäre Sinibaldo jetzt tot«, fügte der Ork hinzu.
»Ich versteh das nicht«, sagte Vincent. »Atemnot hat er eigentlich nur, wenn ihm etwas sauer aufstößt. Zitronensaft oder Ähnliches.« Er starrte auf die Stelle, aus der der Maulwurf gekrochen kam und als Goncko das sah, wollte er sich verabschieden.
»Was habt ihr hier eigentlich verschüttet?«, fragte Vincent.
»Vielleicht hat der Maulwurf die Stinkfüße von Goncko durch die Erde gerochen«, meinte die Elfe und kicherte. Goncko erzählte, was vorgefallen war, und dass es sich um geruchlosen Zitronensaft handelte, der dem Maulwurf wahrscheinlich so zugesetzt hatte.
»Du Sohn einer Fehlgeburt. Ich hölle dich!« Die Elfe verschränkte die Arme. »Ich pinkel keinen Tropfen mehr, bis sich dieses … Ding da«, und sie sah Goncko böse an, »entschuldigt hat und hoch und heilig verspricht, mir niemals mehr so etwas antun zu wollen.«
»Aha. Und was war mit deinem Gesöff, das du mir zusammengebraut hast?«
»Hey, hey! Streitet euch nicht«, sagte Vincent. »Goncko entschuldigt sich und dann war’s das. Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
»Und er muss meine Füße küssen«, rief die Elfe.
»Deine Pilzfüße? Niemals? Eher sterbe ich!«
»Das wirst du, wenn ich nicht mehr Pipi mach.«
Waldipert klopfte dem Zwerg auf die Schulter. »Hol tief Luft. Das hilft manchmal.«
***
Tarabas war in den darauf folgenden Tagen im Wald zu finden, fernab der Barackensiedlung, um ungestört den Übungen nachgehen zu können. Er verwandelte Steine in Zitronen, immer nur in verdammte Zitronen, niemals in eine Sonne. Aber er wollte und würde nicht versagen, sobald es darauf ankam. Nicht nur, dass ihm sein Leben lieb war. Als Abandonier-Retter würde er Rodelindas Herz endlich erobern können und zudem würde er seine Zauberkraft nicht verlieren. Die Abende spielte er mit Birinus am Lagerfeuer, um den Fragen auszuweichen, wie es mit dem Sonnenzauber lief und wo er sich den Tag über aufgehalten hatte.
Vincent traf sich immerzu mit Rodelinda, noch bevor der Morgen graute, und kehrte just in dem Augenblick zurück, in dem Saxo von Falkenthal in seiner Baracke zu hören war, wie er aus dem Schlaf schreckt. Am Tag übte Vincent mit Waldipert und Sinibaldo das Ausspähen, wobei der Maulwurf erhebliche Schwierigkeiten hatte, das, was die Elfe dem Zwerg auf den Kopf zusagte, auch entsprechend wiederzugeben. Wenigstens hatte Hornissengeneral Uldin eine klare, scharfe, furchteindringliche Aussprache und eben keinen Sprachfehler.
Die Zeit, in der sich Rodelinda nicht mit Vincent vergnügte, verbrachte sie mit ihrer Mutter und der Meerjungfrau, um sich gemeinsam mit Saxo von
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