Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
zuvor. Sie zwang sich zu dem Gedanken, dass sie in ein paar Minuten ihr altes Leben wiederhaben würde, das ver¬traute. Er blickte zu Boden, es schien in ihm zu arbeiten. Gleich würde es anstrengend werden, nervige Endlosdiskussionen wie mit Vlado. Doch Ondrej nickte nur. »Gut, du willst das nicht mehr.«
Alenas Herz klopfte so stark gegen die Brust, dass sie dachte, er müsste es hören. Es war ausgesprochen, und er hatte es akzeptiert, einfach so.
Er ging um sie herum, ohne sie zu berühren und bei dem Geräusch der sich öffnenden Tür musste sie schlucken.
»Wenn du mal wieder den Himmel zu dir heruntersinken lässt, dann denk an mich«, hörte sie ihn sagen.
In der Niederlage zeigt sich deine wahre Größe. Dein Vater wäre stolz auf dich, dachte sie und drehte sich zu ihm um. Mit einem friedlichen Blick sah er sie an. Traurig, aber gefasst. Sie war nur wenige Schritte davon entfernt, sich von den verwirrenden Gefühlen zu lösen, die Angst vor neuer Leere hinter sich zu lassen, in ihr altes Leben zu treten. Sie ging an ihm vorbei, trat auf die Schwelle.
Halt mich! Bitte!
Sie trat einen Schritt hinaus, zitterte, und tat noch einen Schritt. Ihr war, als würde sie den Halt unter den Füßen verlieren, und sie wartete darauf, dass die Tür hinter ihr ins Schloss klackte.
»Die Tür wird für dich offen bleiben«, sagte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
»Halt mich – bitte«, murmelte sie. Ein Bagger fuhr am Atelier vorbei. Auf der Straßenlaterne landete ein Vogel, dann traten Alena Tränen in die Augen und die Umgebung verschwamm. Sie würde ihn nicht verlas¬sen können, nicht heute. Als sie Ondrej hinter sich fühlte, ließ sie sich zurücksinken. »Halt mich.«
Sie genoss es, von ihm gedrückt zu werden.
»Was spielst du nur für Spiele mit mir?«, flüsterte er.
»Keine Spiele«, entgegnete sie. Sollte sie es doch riskieren und das mit Vlado beenden?
Liebend gern würde sie sich Ondrej öffnen, anvertrauen, doch dafür war es zu spät, war sie zu sehr in Lügen verstrickt, und ewige Liebe konnte auch er nicht garantieren.
»Was hältst du von einem Spaziergang?«, schlug er vor.
Alena war dankbar, dass er nicht weiter bohrte und ihr gefiel die Idee. Vielleicht würde sie das auf andere Gedanken bringen. Heute gehörte der Tag Ondrej, morgen würde sie ein Geschenk für Oma finden, abends mit ihr feiern, und übermorgen einen Schlussstrich unter die Sache mit Vlado ziehen. Das alles nahm sie sich vor, während Ondrej den Pullover wechselte.
Sie schlenderten durch die Stadt, hielten an Schaufenstern und streiften durch Kaufhäuser. Ondrej erzählte von der Stoffsammlung seiner Mutter, und dass er selbst lieber Eindrücke sammelte, von Län-dern, den Menschen, der Natur. Dann spazierten sie im Park an dem eingelassenen Schachfeld vorbei. Ein Junge stand neben dem Turm und beobachtete eine gefleckte Katze, die sich am anderen Ende des Spiels nach ihm umdrehte. Er ging in die Knie und versuchte, sie anzulocken.
»Mein König ist längst wieder im Spiel«, murmelte Ondrej.
Alena tat, als wüsste sie nicht, wovon er sprach, als wüsste sie nicht von seinem Geheimnis. »Hm?«
»Ach nichts. Das war nur für mich«, schob er nach.
Sie schlenderten weiter zum See und Alena hoffte, er würde sich bei ihr nie schachmatt fühlen.
»Die Natur ist genauso wenig makellos wie wir Menschen«, erzählte er, wohl um das Thema zu wechseln, und nickte zu einem Maulwurfs¬hügel, der wie ein Muttermal die grüne Haut der Wiese zierte.
Sie ging nicht darauf ein, etwas stand zwischen ihnen, und das wollte aus dem Weg geräumt werden.
»Hm.« Zu mehr war sie nicht in der Lage.
»Alena, erzähl mir, was mit dir los ist, bitte. Mich macht deine Verschwiegenheit fertig.«
Sie verstand ihn, konnte aber nicht aus ihrer Haut. »Bitte«, sagte sie, »gib mir noch ein bisschen Zeit.« Sie drehte sich nach dem Jungen um. Die Katze war verschwunden. Er trug den Läufer aus dem Spiel.
»Wie du meinst.«
Bald würden sie die Parkbank erreichen, mit Blick auf den See. Dort, wo ihr Martin begegnet war.
»Und woher du die Narbe hast, willst du mir auch nicht verraten?«
Sie drehte die Narbe an der rechten Augenbraue aus seinem Blickfeld. »Erzähl du mir lieber vom Segeln, das ist bestimmt spannender.«
»Dann komm mit.«
Sie setzten sich auf die Bank. Auf der gegenüberliegenden Uferseite ließ ein Mann mit einem Steuerbord ein kleines Boot über das Wasser gleiten.
»Das ist eine andere Welt.« Ondrej
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