Sonea 3 -
liegt, der aber aus irgendeinem Grund – vielleicht weil er bewusstlos ist oder senil – Euch seine Macht nicht mehr willentlich anbieten kann.«
Kallen verzog das Gesicht. »Ja. Es wäre freundlicher, wenn er die Schwächung nicht erleben müsste.«
Sie betrachtete das Messer. »Was macht man, wenn man kein Messer hat? Könnte man Magie benutzen, um den Schnitt zu verursachen?«
Er schüttelte den Kopf. »Selbst wenn ein Magier zu schwach ist, um sich mit einem Schild zu schützen, hat er doch noch genug Kraft, um die natürliche Barriere seiner Haut aufrechtzuerhalten. Diese Barriere ist nichts anderes als ein Schild gegen fremden Willen und muss aufgebrochen werden.«
»Wenn man Magie wie einen Dorn formte und gegen einen Gegner schleuderte, so dass dessen Haut durchstoßen würde – könnte das vielleicht funktionieren?«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Vielleicht. Ich schätze, wenn ein Hieb oder Schuss heftig genug ist …« Er runzelte die Stirn. »Es wäre schwierig zu prüfen. Das Opfer müsste bereit sein, verletzt zu werden, vielleicht ziemlich schwer … Andererseits, wenn man sich zunächst einiges Geschick aneignet, einen kurzen, heftigen Angriff zu führen, der nur eine kleine Verletzung hervorruft, wäre das auch nicht schlimmer als ein kleiner Schnitt. Es ist eine interessante Idee. Wir sollten ihr nachgehen.«
Sie nickte, bevor die Vorstellung, ihm zu erlauben, sie zu stechen, ihre Befriedigung, auf eine Idee gekommen zu sein, die für ihn ganz neu war, wieder zunichtemachte.
»Nun … das wird für heute genügen«, sagte er. »Morgen werde ich Eure Ausbildung im Gedankenlesen beginnen. Wir werden einen Freiwilligen benötigen, an dem Ihr üben könnt. Sobald Ihr diese Fähigkeit erworben habt, werde ich Euch lehren, einen Blutstein zu machen.«
Einen Blutstein! Lilia verkniff sich ein Lächeln; sie wollte nicht zu erpicht erscheinen, mehr über etwas zu lernen, was einst verbotene Magie gewesen war. Sie erhob sich, als Kallen aufstand, und folgte ihm zur Tür.
»Soll ich Euch hier treffen?«, fragte sie.
Er nickte und deutete auf den Flur. »Ja. Dann bis morgen.«
Sie verneigte sich und machte sich auf den Weg zu den äußeren Räumen der Universität und zu ihrer nächsten Unterrichtsstunde, außerstande, ein Gefühl der Erregung zu unterdrücken.
Zum ersten Mal fühlt sich die Kenntnis von schwarzer Magie nicht wie eine … eine Strafe an – oder eine Krankheit. Die Gilde will, dass ich sie erlerne. Und es ist tatsächlich interessant.
Während die Morgensonne höher stieg und heller wurde, begannen die Farben des Ödlands zu verblassen. Sonea schlang die Hände um ihre Knie und erinnerte sich sehnsüchtig daran, dass sie früher einmal in der Lage gewesen war, die Knie ganz anzuziehen. Es war lange her, seit sie so biegsam gewesen war. Das Leben als Magierin – und das Tragen schwerer Roben – verlangte im Allgemeinen eine würdevollere Position, wenn man sich hinsetzte. Es waren kleine Verluste wie dieser, die ihr sagten, dass sie älter wurde.
Regin stand auf und ging zu ihren Reisebündeln, die ein wenig leerer aussahen als noch vor zwei Tagen, als sie am Abend am Treffpunkt der Verräter eingetroffen waren.
Ich habe die Anweisungen streng befolgt, sagte sie sich. Sie haben absolut Sinn ergeben. Regin stimmt mir zu. Wir müssen dort sein, wo wir sein sollten.
Und doch waren noch keine Verräter erschienen.
Sie schaute nach rechts, wo das Gebirge im Südwesten aufragte. Als sie und Akkarin zwanzig Jahre zuvor Sachaka betreten hatten, waren sie in diese Richtung gereist. Über die Hänge der Berge ohne Vorräte, ohne Heimat und gejagt von Ichani. Diesmal reisten sie und Regin nach Nordwesten, immer noch durch die raue Berglandschaft, aber mit reichlich Nahrungsvorräten; sie brauchten sich nicht um Ichani zu sorgen und hatten zu Hause eine Gilde, die darauf wartete, sie willkommen zu heißen.
Erstaunlich, welchen Unterschied einige grundlegende Dinge machen und der Umstand, dass man nicht um sein Leben zu fürchten braucht.
Trotzdem war das Ödland rau. Unter ihnen gingen die felsigen Hänge in Dünen über, die sich endlos bis zum Horizont hinzogen. An ihrem ersten Tag hier hatten sie beobachtet, wie im Norden ein Sandsturm über das Land getobt und alles in seinem Weg unkenntlich gemacht hatte. Sie hatten befürchtet, dass sie dem Sturm würden trotzen müssen, aber er war erstorben, als er auf die nördlichen Berge getroffen war. Sonea wandte sich nach links und
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