Sonea - Die Heilerin: Roman
hob die Arme, um die schwarzen Bänder vorzuzeigen, die auf die Ärmel genäht waren. »Jetzt, da ich schwarze Magie beherrsche. Selbst wenn sie es wollten, würden ihre Eltern es ihnen verbieten. Und wenn sie es trotz allem wollten, müsste ich mir Sorgen machen, welches ihre wahren Absichten sind.«
Anyi sah Lilia mitfühlend an. »Das dürfte hart werden.«
»Es wird auch nicht aufhören, wenn ich meinen Abschluss habe.«
»Zumindest ist Sonea bereit, dir zu vertrauen.« Anyi blickte sich im Raum um. »Sie hat Freunde, hier und außerhalb der Gilde. Selbst wenn andere darin kein gutes Zeichen sehen, solltest du es tun. Du solltest außerdem wissen …« Anyi beugte sich über die Armlehne ihres Sessels und streckte die Hand aus, um Lilias Wange zu berühren.
Überrascht sah Lilia Anyi in die Augen. Die Miene der Frau war nachdenklich und eindringlich. Anyi ließ sich von ihrem Sessel gleiten und kniete sich mit einer anmutigen Bewegung neben Lilia. Sie nahm die Hand dabei nicht von Lilias Wange und löste den Blick nicht von Lilias Gesicht.
»Du solltest auch dies wissen«, sagte sie.
Sie beugte sich vor und küsste Lilia. Es war ein langsamer, gründlicher Kuss. Es war definitiv nicht der Kuss bloßer Freundschaft, und Lilia konnte nicht anders, als entsprechend darauf zu reagieren. Es bestätigte alles, was sie in Bezug auf Anyi geahnt und in Bezug auf sich selbst vermutet hatte. Es war nicht nur Naki, ging es ihr durch den Kopf. Ich bin es – und Anyi ist es. Und es könnten ich und Anyi sein.
Anyi zog sich ein wenig zurück, dann lächelte sie und ließ sich wieder in ihren Sessel sinken. Sie wirkte, überlegte Lilia, ziemlich selbstgefällig.
»Ich weiß, es ist noch zu früh nach Naki«, sagte sie. »Aber ich fand, du solltest es wissen. Für den Fall, dass du Interesse hast.«
Lilia legte eine Hand auf ihr Herz. Es schlug sehr schnell. Sie fühlte sich beschwingt und verwegen. Sie lachte leise in sich hinein, dann sah sie Anyi an.
»Ich habe definitiv Interesse – und es ist nicht zu früh nach Naki.«
Anyis Lächeln wurde breiter, aber dann wandte sie den Blick ab und runzelte die Stirn. »Trotzdem, ich fände es grässlich, wenn Sonea uns erwischen würde …«
»Sie ist bei einer Versammlung und geht anschließend direkt ins Hospital. Nachtschicht. Wird vor morgen früh nicht zurück sein.«
»… oder ihre Diener«, fügte Anyi hinzu. Sie klopfte mit den Fingern auf die Kante des Sessels, dann hielt sie inne und lächelte. »Verrate mir, wie viel weißt du über die Tunnel unter der Gilde?«
»Ich weiß von ihrer Existenz, aber ich habe sie nie gesehen. Niemand darf dort unten sein.«
»Nun, sofern es dir nicht wirklich ernst damit ist, keine Regeln mehr brechen zu wollen, könnte ich dich ein wenig herumführen.«
Lilia betrachtete die Kratzer auf der Rückseite von Anyis Mantel, dann sah sie ihre Freundin an.
»Ich … ich werde darüber nachdenken.«
Sonea setzte sich mit stummer Befriedigung auf den Stuhl, den Osen ihr angeboten hatte. Der Administrator hatte dafür gesorgt, dass weitere Stühle in sein Büro gebracht wurden, und die Diener hatten sie im Kreis vor seinem Schreibtisch aufgestellt. Osen hatte darauf bestanden, dass Kallen nicht länger an der Wand stehen solle, was bedeutete, dass Sonea sich ebenfalls nicht mehr verpflichtet fühlte, stehen zu bleiben.
Jetzt saßen sie und Kallen links und rechts von Osen und Balkan. Die übrigen Höheren Magier hatten sich, wie Sonea bemerkte, nicht in einer bestimmten Rangfolge platziert. Im Allgemeinen scharten sich die Oberhäupter der Disziplinen umeinander. Sie erwartete jedoch, dass sie bei diesem Treffen die stimmgewaltigsten sein würden. Manche Dinge änderten sich nie.
Rothen schaute zu ihr auf und lächelte. Unwillkürlich sprang auch auf ihre Lippen ein Lächeln. Er war überglücklich gewesen, von Lorkins Rückkehr zu hören, und seit er erfahren hatte, dass Lorkin versuchen würde, ein Bündnis auszuhandeln, und dass er der Gilde eine neue Art von Magie zu bringen beabsichtigte, war er vor Stolz fast geplatzt. An einem Punkt hatte er geseufzt und bekümmert dreingeblickt, und als Sonea sich erkundigt hatte, was ihn bedrücke, hatte er sie entschuldigend angesehen. Sie zuckte zusammen, als sie sich an seine Worte erinnerte.
»Es ist ein Jammer, dass sein Vater das nicht miterleben kann.«
Was ihr aus mehr als den offenkundigen Gründen wehtat. Dass Rothen dies von Akkarin sagen konnte, deutete auf ein Ausmaß
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