Sonea - Die Hueterin
musste die letzten zu Tyvara hinaufwerfen, die auf dem Stapel im Karren balancierte. Als er Schritte hinter sich hörte, zuckte er zusammen und verfehlte sein Ziel. Tyvaras Hände rutschten ab, und das Bündel fiel zu Boden. Lorkin wich zurück, um es aufzuheben, doch stattdessen trat er auf irgendetwas.
»Narr!«, brüllte eine vertraute Stimme. Eine Hand kam aus dem Nichts und schlug Lorkin so heftig gegen den Kopf, dass ihm die Ohren dröhnten. Er hielt sich den Kopf und stolperte davon. Da er vermutete, dass es einem Sklaven ähnlicher sähe, sich auf den Boden zu kauern, als aufzustehen, duckte er sich und wartete ab.
»Sitz nicht da und schmolle. Heb das Bündel auf und beende die Arbeit«, befahl der Sklavenmeister.
Lorkin rappelte sich in gekrümmter Haltung hoch und vermied es, den Mann anzusehen. Dann lief er zu dem letzten Bündel und hob es vom Boden auf. Er blickte zu Tyvara empor. Sie runzelte besorgt die Stirn, streckte jedoch die Hände aus zum Zeichen, dass sie bereit war. Er warf und seufzte vor Erleichterung, als sie das Bündel auffing und geschickt zu den übrigen legte.
Dann drückte ihm der Sklavenmeister, der Lorkin offensichtlich verziehen hatte, dass er ihm auf den Fuß getreten war, Seile in die Hand und half ihnen, die Vliesballen auf dem Wagen festzubinden. Als sie fertig waren, nickte er anerkennend.
»Ich werde den Küchenjungen mit Essen und Decken hinausschicken. Ihr könnt im Lager schlafen. Haltet euch bereit, früh aufzubrechen.«
Mit diesen Worten drehte er sich um und stolzierte davon. Als Lorkin ihm nachsah, bemerkte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Er widerstand der Versuchung, nach der Quelle Ausschau zu halten. Der Innenhof wurde nicht länger vom Licht des späten Nachmittags beleuchtet, und die Dunkelheit unter den Veranden war fast undurchdringlich. Schließlich tat Lorkin so, als betrachte er in dem verblassenden Licht seine Hände, dann schaute er darüber hinweg und machte eine weibliche Gestalt in einer Tür aus. Sie beobachtete ihn und Tyvara mit schmalen Augen.
»Ork«, rief Tyvara. Er drehte sich zu ihr um. Sie stand neben dem Karren. »Komm und hilf mir, das hier zu richten.«
Er trat neben sie. Sie zupfte an einem der Bündel, an dessen Platzierung nichts auszusetzen schien.
»Meine gewohnte Kontaktperson ist nicht erschienen«, murmelte sie. »Ich habe keine andere Tür zum Lager entdeckt. Lasst uns für den Augenblick hier draußen bleiben.«
»Da war vorhin eine Frau, die uns beobachtet hat«, erwiderte er. »Hast du sie gesehen?«
Sie runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. Als Schritte erklangen, spähte sie um den Wagen herum und lächelte. »Essen!«
Lorkin folgte ihr, als sie dem Jungen, der auf sie zukam, entgegenging. Seine Augen weiteten sich, dann senkte er hastig den Blick und hielt ihnen zwei faustgroße, noch dampfende Brötchen und zwei Becher hin. Die Flüssigkeit darin erzitterte, da die Hand des Jungen bebte.
Tyvara nahm das Essen und reichte Lorkin seinen Anteil. Sobald er frei von seiner Last war, drehte der Junge sich um, rannte zurück zu einer Tür und stürzte hindurch.
»Er hatte Angst«, murmelte Lorkin.
»Ja«, pflichtete Tyvara ihm bei. »Und er hätte keine Angst haben dürfen.« Sie ging zurück zum Wagen. »Außerdem hat er keine Decken mitgebracht. Folge mir.« Tyvara ging am Wagen vorbei auf das Lager zu. Lorkin schloss sich ihr an, wobei er achtgab, den Inhalt seines Bechers nicht zu verschütten. Jetzt erhellte eine einzelne Lampe den Raum und warf Schatten an die Wände. Sobald sie im Lager waren, nahm Tyvara ihm den Becher und das Brötchen ab und stellte beides zusammen mit ihrem Essen neben einen Eimer, der stark nach Urin roch.
»Wir können das nicht essen«, erklärte sie ihm, während sie sich im Raum umblickte. »Es könnte mit Drogen versetzt sein.«
»Drogen?« Er betrachtete das Brötchen und den Becher. »Sie wissen, wer wir sind?«
»Möglicherweise. Ah! Gut. Komm her.«
»Aber wie können sich die Neuigkeiten so schnell bis hierher rumgesprochen haben?«, fragte er, während er ihr zur gegenüberliegenden Wand folgte. Sie drehte sich um, und der Blick, den sie ihm zuwarf, besagte deutlich, dass sie seine Frage für idiotisch hielt.
»Benutzen Kyralier keine Blutringe?«
»Doch, aber -«
»Ich nehme an, ihr habt keine Sklaven, die hinter eurem Rücken schwatzen. Aber gewiss könnt ihr euch eines denken: Wenn wir zu Fuß gereist sind, konnte jeder mit einem Pferd die Neuigkeiten
Weitere Kostenlose Bücher