Sonea - Die Hueterin
zurückzukehren, um bei der Verhandlung zu meiner Verteidigung zu sprechen.«
Chari zog die Augenbrauen hoch. »Du willst mit ihr gehen?«, fragte sie ihn.
»Ja.«
Ein anerkennender und abschätzender Ausdruck trat in ihre Züge. »Du bist ein mutiger Mann. Wirst du uns geben, was dein Vater uns nicht gegeben hat?«
»Wir werden das besprechen, wenn wir dort angekommen sind«, erwiderte Tyvara, bevor er reagieren konnte.
Die Frau kicherte. »Davon bin ich überzeugt. Natürlich ist es nicht das, was eigentlich geschehen sollte. Du solltest nach Arvice zurückgebracht werden. Gewiss sollen wir dich nicht mit in unser geheimes Zuhause bringen. Dafür werde ich mir eine Erlaubnis einholen müssen.«
»Wie lange wird das dauern?«
Chari überlegte. »Sechs oder sieben Tage. Wir können die Zeit abkürzen, indem wir uns bei den Gerberhütten mit Sprecherin Savara treffen.« Sie wandte sich an Lorkin. »Sie war Tyvaras Mentorin - und meine - und ist eine unserer Anführerinnen. Wenn du immer noch ins Sanktuarium mitkommen willst, wirst du sie dazu überreden müssen, dich aufzunehmen.«
»Wie sollte ich das am besten angehen?«
Chari zuckte die Achseln.
»Mit deinem gewohnten Charme und deiner Begeisterung«, erwiderte Tyvara. »Aber mach keine Versprechen. Meine Leute würden dergleichen mit Argwohn betrachten, wenn sie dir überhaupt Glauben schenken. Du brauchst lediglich anzudeuten, dass du bereit wärst, darüber nachzudenken, Entschädigung für den Verrat deines Vaters zu leisten. Du brauchst nicht zu erwähnen, wie du das anstellen willst.«
Er nickte. »Das kann ich tun.«
Tyvara lächelte. »Ich freue mich darauf zu beobachten, wie du es versuchst.«
»Ich auch«, bemerkte Chari. Dann blickte sie auf seine Schuhe hinab. »Wie geht es deinen Füßen?«
»Sie sind viel benutzt worden.«
»Lust auf eine Fahrt im Wagen? Wir haben eine Fuhre Futter, die morgen zu einem der entlegenen Güter gebracht werden muss. Ich bin davon überzeugt, dass da noch Platz für zwei weitere Sklaven ist.«
Lorkin sah Tyvara an. »Können wir ihr trauen?«
Sie nickte. »Chari ist eine alte Freundin von mir. Wir sind zusammen ausgebildet worden.«
Er lächelte Chari an und neigte den Kopf. »Dann nehme ich dein Angebot an. Tatsächlich klingt es so, als sei es zu gut, um es abzulehnen.«
»Dann tut es auch nicht.« Chari lächelte strahlend. »Ich kann euch auf meinem Gut bequemere Betten anbieten als einen Flecken Erde in einer alten Ruine. Und«, sie beugte sich zu Lorkin vor und schnupperte, »es riecht, als hättest du dich seit Tagen nicht mehr gewaschen.«
Lorkin sah Tyvara an. Sie runzelte die Stirn.
»Was ist los?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Nichts.« Seufzend sah sie Chari an. »Bist du dir sicher, dass Lorkin auf deinem Gut keine Gefahr droht?«
Die junge Frau grinste. »Der Herr ist ein lieber alter Trinker. Ich treffe alle Entscheidungen dort, und das bezieht sich auch darauf, welche Sklaven er kauft. Es gibt nicht einen einzigen Sklaven dort, den ich nicht billigen würde, und die wenigen Male, dass Sprecherin Tückisch versucht hat, eins ihrer Mädchen auf das Gut zu bringen, habe ich andere Plätze für sie gefunden.«
Tyvara schüttelte langsam den Kopf. »Du wirst eine sehr beängstigende Frau sein, solltest du jemals beschließen, dir einen Platz in der Führungsriege zu sichern.«
»Darauf kannst du wetten.« Chari grinste. »Also solltet ihr euch besser gut mit mir stellen. Und so wie es riecht, werdet ihr beide, was das betrifft, bessere Chancen haben, wenn ihr erst einmal ein Bad nehmt. Kommt jetzt. Lasst uns nach Hause gehen, bevor der Herr mich vermisst.«
»Sie würde nicht um ein Treffen mit dir bitten, wenn sie keinen guten Grund dazu hätte«, sagte Gol, während er hinter Cery hereilte.
»Soll ich mich jetzt besser fühlen?«, entgegnete Cery.
»Nun... ich sage nur, dass sie ein vernünftiges Mädchen ist.«
»Mir wäre es erheblich lieber, sie wäre
nicht
vernünftig und hätte
keinen
Grund, sich mit mir zu treffen.« Cery runzelte die Stirn. »Wenn sie vernünftig ist und einen guten Grund hat, dann besteht eine größere Chance, dass etwas Schlimmes geschehen ist.«
Gol seufzte und erwiderte nichts mehr. Cery schlängelte sich in der Gasse an Kisten mit verfaulendem Essen vorbei.
Zumindest weiß ich, dass Anyi noch lebt,
dachte er. Gol hatte gelegentlich versucht, sie zu finden, und Cery war erfreut gewesen, dass es ihm nicht gelungen war - und er hatte
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