Sonea - Die Hueterin
faszinierte sie Skellin dennoch. Danach hatte er wissen wollen, wie ihr Studium an der Universität aufgebaut war. Welche Regeln sie befolgen mussten. Welche Disziplinen es gab und wie sie aussahen.
Weniger angenehm wurde es, als er sie drängte, die Ichani-Invasion zu beschreiben. »Ihr müsst erstaunliche Geschichten zu erzählen haben«, hatte der Dieb grinsend gesagt. »Ich war natürlich nicht dabei. Meine Mutter und ich waren noch nicht in Kyralia eingetroffen.«
Regin hatte es ihr erspart, die schmerzhaftere Zeit ihrer Vergangenheit noch einmal zu durchleben, indem er an diesem Punkt das Erzählen übernommen hatte. Sie fragte sich, ob er erraten hatte, wie schwierig es für sie gewesen wäre. So oder so, sie war ihm noch dankbarer als zuvor.
Das sind schon drei Dinge, für die ich ihm heute Nacht danken muss,
dachte sie.
Der Wagen, der Mantel und dass er mich davor gerettet hat, unangenehme Erinnerungen noch einmal durchleben zu müssen. Ich sollte mich besser konzentrieren, bevor wir dieser Frau gegenübertreten, oder ich werde...
Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihre Gedanken. Skellin rief einige leise Worte, und ein hagerer Mann in schwarzen Kleidern öffnete die Tür.
»Sie sind da«, erklärte der Mann, dann verließ er den Raum wieder.
Sonea seufzte vor Erleichterung, so leise sie es fertigbrachte. Sie alle erhoben sich. Skellin sah sie der Reihe nach an.
»Wenn Ihr es wünscht, könnt Ihr Eure Mäntel hierlassen. Niemand außer meinen Männern und der Frau wird Euch sehen.« Er lächelte. »Ich freue mich darauf, Eure berühmten Kräfte aus erster Hand mitzuerleben. Folgt mir.«
Sie gingen durch eine weitere Tür in einen langen Flur. Die Fenster am gegenüberliegenden Ende leuchteten schwach.
Die Sonne wird bald aufgehen. Wir waren die ganze Nacht auf.
Ein Stich der Furcht durchzuckte sie.
Hat Dannyl Lorkin schon gefunden? Was ist, wenn Osen jemanden geschickt hat, um mich zu holen, und sie entdeckt haben, dass ich verschwunden bin? Selbst wenn er niemanden geschickt hat, wird es meinen Verbündeten im Hospital schwergefallen sein, den neuen Heiler daran zu hindern, nach mir zu suchen, um mir noch mehr Fragen zu stellen.
Mittlerweile muss irgendjemand meine Abwesenheit bemerkt haben.
Aber wenn das der Fall war, würde es dennoch keine Rolle spielen. Wenn sie und Regin mit der wilden Magierin zur Gilde zurückkehrten, brauchte sie nicht länger zu verbergen, dass sie gelegentlich heimlich die Hospitäler verließ. Wenn Rothen recht hatte, würde sich niemand darum scheren. Alle würden sich auf die Entdeckung einer Magierin konzentrieren, die in der Stadt gelebt hatte und die nicht nur kein Mitglied der Gilde war, sondern auch aktiv für Verbrecher gearbeitet hatte.
27 Die Falle ist zugeschnappt
Während Cery Skellin, Sonea und Regin aus dem Raum gefolgt war, hatte er sich vorgenommen, sich bei Sonea für die lange Nacht zu entschuldigen, die sie hatte ertragen müssen. Vielleicht hatte er nur deshalb bemerkt, wie unbehaglich sie sich bei Skellins Fragen nach der Ichani-Invasion gefühlt hatte, weil er sie schon so lange kannte.
Obwohl ich gedacht hätte, dass jemand, der klug genug ist, um in so kurzer Zeit ein so mächtiger Dieb zu werden wie Skellin, begreifen würde, dass sie wohl kaum über die Schlacht würde reden wollen, die zum Tod des Mannes geführt hatte, den sie liebte.
Cery war Regin unendlich dankbar gewesen, dass er an diesem Punkt übernommen und es Sonea erspart hatte, die Geschichte zu erzählen oder Skellins Bitte abzuschlagen. Die Ironie des Ganzen ließ Cery schmunzeln. Regin war der letzte Mensch, von dem er je gedacht hätte, dass er ihm einmal wegen seiner Rücksichtnahme dankbar sein würde.
Am Ende des langen Flurs gingen sie eine Treppe zum oberen Stockwerk des alten Gebäudes hinauf. Skellin führte sie zu einer geschlossenen Tür. Er hielt inne, während er eine Hand auf den Türknauf legte und Sonea und Regin ansah. »Bereit?«
Die beiden Magier nickten.
Skellin öffnete die Tür und ging hindurch, dann trat er beiseite, als sei er erpicht darauf, nicht zwischen die Magier und ihre Beute zu geraten. Cery folgte Sonea und Regin in einen riesigen Raum voller Kisten, der von etlichen Lampen erhellt wurde. Er bemerkte vier Personen, die sich umgedreht hatten, um festzustellen, wer eingetreten war. Drei waren Männer, und eine war eine Frau in einem Umhang; sie hatte die Kapuze hochgezogen, die alles bis auf die dunkle Haut ihres Kinns verbarg. Zwei der
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