Song of Blood (German Edition)
die beiden Katzen strichen ihm maunzend um die Beine. Schließlich nahm er seinen Koffer auf.
„Ich muss los, sonst verpasse ich den Flug.“
Kurz darauf saß er in einem Taxi, das ihn zum Flughafen brachte. Seine zahlreichen hässlichen Verletzungen waren inzwischen verheilt, sodass ihn zu seiner Erleichterung niemand mehr komisch ansah. Was weiterhin schmerzte, war der Verlust der geliebten Hayabusa.
Selbst schuld, sagte sein Gewissen gnadenlos.
Der Flug startete pünktlich und wieder einmal kam Far in den Genuss, die imposanten Wolkenberge aus der Luft zu betrachten. Was vom Boden aus wie eine dichte Decke ausschaute, wirkte vom Flieger aus wie ein Kunstwerk aus strahlend weißen Schichten. Far konnte sich daran einfach nicht sattsehen. Einige Stunden später landete er auf dem Flughafen Charles de Gaulle. Während Far auf ein Taxi wartete, das ihn zu einem kleinen, gemütlichen Hotel nach Passy bringen sollte, fühlte er sich Songlian bereits deutlich näher.
***
Florean Ledoux alias Songlian Walker hatte die Schublade seines Schreibtischs geöffnet und einen inzwischen ziemlich zerknautschten Zettel hervorgeholt. In einer schrecklichen Handschrift hatte jemand
Ich liebe dich, Song.
Ich habe dich schon immer geliebt
darauf geschrieben. Versonnen fuhr Songlian mit dem Finger über die Worte. Sein Herz schmerzte. Es plagte ihn besonders, wenn er diesen Zettel in den Händen hielt. Trotzdem zog er ihn dauernd hervor. Vielleicht hatte er ja eine masochistische Ader, von der er bislang nichts gewusst hatte. Rasch faltete Songlian den kostbaren Zettel zusammen und legte ihn gleich neben die Tüte mit den weißen Tabletten in die Schublade zurück. Crawlers. Manchmal brauchte er sie, wenn sein Herz ihn unerträglich marterte und er im Bois de Boulogne nach Ablenkung suchte. Langsam schloss er die Schublade.
Wenig später betrat er die Terrasse seiner Villa und ging zu dem angrenzenden Pool hinüber. Bereits im Gehen zog er sich aus. Etwas Schwimmen würde ihn sicherlich entspannen und von seinen traurigen Gedanken ablenken. Eine Badehose benötigte er auf seinem Anwesen nicht. Der Pool und seine großzügige Gartenanlage, die die Villa umschloss, waren von der Straße aus nicht einzusehen. Mit einem Kopfsprung tauchte Songlian in das kühle Nass und schwamm mit kräftigen Zügen unter Wasser weiter, bis er die fünfzehn Meter zum anderen Beckenrand überwunden hatte. Dort drehte er und kraulte dieselbe Strecke zurück. Prustend begann er im gleichmäßigen Tempo seine Bahnen zu schwimmen.
„Bei dem Anblick kann man ja wirklich schwul werden.”
Songlian sah sich um und entdeckte Mathis am Beckenrand.
„Bonjour, Mathis. Komm rein ins Wasser. Es ist einfach herrlich“, lud er den Freund ein.
„Non, merci. Das würde meine perfekte Frisur ruinieren und ich habe noch ein Rendez-vous.“
„Mit Solveig?“
„Non."
„Michelle? Catherine?“
Erneut schüttelte Mathis belustigt den Kopf. Songlian lachte und schwamm zum Beckenrand. Es war unmöglich mit Mathis’ Frauengeschichten mitzuhalten. Der holte zwei Gläser Rotwein hervor, die er bislang hinter seinem Rücken versteckt hatte, und reichte eines Songlian. Lässig setzte er sich zu seinem Freund an den Poolrand und schob seine modische Sonnenbrille von der Nase in den rehbraunen Schopf.
„Sur notre santé.“
„Cheers.“ Sie tranken schweigend und genossen mit der Erfahrung einiger Jahrhunderte das Aroma des köstlichen Weins. Mathis schaute sinnierend in die dunkelrote Flüssigkeit, wobei er das Glas gegen die Sonne hielt.
„Das ist eigentlich eine komische Sache. Je älter ich werde, desto älter müssen meine Weine sein. Glaubst du, das ist ein Anflug von Sentimentalität, Florean?“
„Ich komme mir manchmal bereits selbst wie ein altes Relikt vor. Wie etwas, das man in einem Museum ausstellen müsste“, antwortete Songlian und stützte sein Kinn in die Hand.
„Museum? Non, non, vielmehr sollte man dir ebenfalls einen Arc de Triomphe erbauen und deine Schönheit dort mit einer ewigen Flamme preisen.“
Songlian lachte belustigt.
„Ich bin aber kein unbekannter Soldat und schon gar nicht tot, Mathis. Was für sonderliche Gedanken du heute hast!“
„Ich vermisse nur Paris“, murmelte Mathis, der sich ungewöhnlich melancholisch zeigte. „Ich meine das Paris von damals. Kannst du dich an unsere Nächte im Moulin Rouge am Boulevard de Clichy erinnern? Nirgends gab es besseres Varieté.“ Mathis klang wirklich
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