Song of Blood (German Edition)
Der grinste und deutete mit beiden Händen auf sich selbst.
„Er hat mich gesehen und falsche Schlüsse gezogen. Und ist davongelaufen, ehe ich ihm Klarheit über unser Verhältnis verschaffen konnte. Dein chéri wirkte sehr betroffen.“
Stimmte das? Sollte Far wirklich Mathis für seinen Liebhaber gehalten haben? Songlian traf einen Entschluss.
„Ich rede mit ihm.“
Mathis Miene hellte sich auf. „Vraiment? – Wirklich?“
„Oui. Sicherlich wird er in einem Hotel in der Nähe abgestiegen sein. Ich rede mit ihm und regel die Angelegenheit.“ Songlian hatte zu seiner gewohnten Gelassenheit zurückgefunden. Er erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung aus dem Sessel.
„Deine plötzliche Ruhe gefällt mir irgendwie gar nicht“, sagte Mathis alarmiert. „Du wirst ja wohl keinen Unsinn machen?“
Songlian hielt mitten im Schritt inne und antwortete ohne sich umzudrehen: „Ich werde mit ihm reden, Mathis, und die Situation mit Far klären.“
Hoch erhobenen Hauptes verließ er den Raum.
***
Ein Taxi brachte Far in sein Hotel zurück. Er hatte sich auf seiner Flucht von der Villa dermaßen in den verwinkelten Straßen Paris verrannt, dass er überhaupt keine Ahnung mehr hatte, wo er sich befand. Während der Fahrt kamen ihm die Worte des fremden Vampirs wieder in den Sinn, dass Songlian außer Haus nach Vergessen suchte.
„Welchen Vergnügungen kann man denn im Bois de Boulogne nachgehen?“, fragte er daher den Taxifahrer, der zum Glück ein wenig Englisch sprach.
„Es gibt dort eine Rennbahn, Monsieur, und zahlreiche Reitwege. Und das Schloss Bagatelle ist sehr sehenswert. Oder Sie können an den Flüssen und Seen Boote mieten“, antwortete der Taxifahrer leutselig. Songlian liebte Pferde, das wusste Far seit ihrem gemeinsamen Irlandbesuch.
„Wenn Sie allerdings auf etwas anderes anspielen, Monsieur, dann finden Sie dort ebenfalls die Drogenszene und die käufliche Liebe“, fuhr der Taxifahrer fort.
„Es gibt dort einen Strich?“ Far sank tiefer in den Sitz.
„Mais oui, Monsieur. Soll ich Sie dorthin fahren?“ Der Taxifahrer sah Far fragend im Rückspiegel an.
„Nein, ich möchte in mein Hotel zurück.“
Wie gewünscht wurde Far im Hotel Passy abgesetzt. Kurz darauf öffnete er die Tür zu seiner Unterkunft. Er kam nicht mehr dazu das Licht einzuschalten, aber dank seiner Sehfähigkeiten als Vampir brauchte er es auch nicht. Stumm starrte er auf die Gestalt, die auf seiner Fensterbank saß und versonnen in den Nachthimmel schaute. Gekleidet in eine gefleckte Wildlederhose und einem luftigen, cremefarbenen Hemd bot Songlian ein hinreißendes Bild. Sein blauschwarzes Haar war seit ihrer Flucht aus Moskau nachgewachsen und hing ihm in zerzausten Fransen ins Gesicht. Far stellte verlegen fest, dass er Songlian mit den Blicken regelrecht verschlang.
„Was tust du hier?“, fragte er daher beinahe barsch, um den peinlichen Moment zu überspielen. Nun erst richteten sich die bernsteingelben Augen auf ihn. Songlian wirkte ruhig und beherrscht.
„Was wolltest du heute an meiner Tür?“, fragte er zurück.
Far blieb ihm die Antwort schuldig. Er hatte den Typen mit der vornehmen blassen Haut gesehen und er benötigte keine weiteren Erklärungen. Songlian neigte leicht den Kopf, als hätte er mit Schweigen gerechnet.
„Ich bin mit Mathis zusammen“, sagte er kühl. „Du hast ihn ja bereits kennengelernt.“
Far nickte langsam. Jetzt hatte der attraktive Fremde also einen Namen.
„Flieg zurück nach New York, Far.“ Songlians Stimme klang nun sanfter.
„Ich … ich fliege morgen“, entgegnete Far. Sein Hals war auf einmal furchtbar trocken. Songlian nickte und ließ beide Beine aus dem Fenster baumeln. Über die Schulter hinweg sah er zu Far zurück.
„Ich habe von deinem Unfall gelesen. Ist denn alles in Ordnung?“
Far nickte erneut. Beruhigt lächelte Songlian.
„Natürlich“, sagte er leise und sprang. Es ging mehr als fünfzehn Meter in die Tiefe. Far eilte zum Fenster und schaute hinaus. Songlian war verschwunden. Zurück blieb nur ein allzu vertrauter Hauch nach Sandelholz und Zimt.
***
Mathis traf ihn beim Frühstück auf der Terrasse an. Doch anstatt knuspriger Croissants und heißem Café noir vertilgte Songlian eine Blutkonserve. Über den Beutel hinweg sah er seinen Freund warnend an.
„Du musst mich gar nicht so anzusehen, mon ami. Ich frage dich nämlich trotzdem, wie es gelaufen ist.“ Unaufgefordert ließ sich Mathis in einen
Weitere Kostenlose Bücher