Song of Blood (German Edition)
erzählten. Man kannte ihn zumeist als eine neutrale Person, solange man ihn nicht reizte. Um achthundert Jahre in einer sich ständig wandelnden Welt überleben zu können, musste ein Vampir stark, schlau und gefährlich sein. Bhreac tat daher gut daran, ihm als Älteren mit der ihm gebührenden Achtung zu begegnen.
„Ich würde die Angelegenheit daher gerne mit Songlian diskutieren“, fuhr Bhreac fort.
Die bernsteingelben Augen neben Mathis blitzten furchterregend auf, sodass der schnell eine Hand auf den Arm seines Freundes legte.
„Far ist mein Schüler und ich bin sein Meister. Du wirst also mit mir reden müssen, Bhreac.“ Herausfordernd sah Mathis den Mann hinter dem Schreibtisch an. Der wirkte genauso erstaunt wie Lorcan und Songlian, wobei sich Songlian als Erster im Griff hatte. Er entspannte sich, sodass Mathis die Hand von seinem Arm nehmen konnte.
„Seit wann bist du Fars Meister?“, knurrte Bhreac sichtlich verärgert. Offenbar glaubte er von Mathis angeflunkert zu werden.
„Seit er hier in Paris ist. Die Notwendigkeit bestand, weil der, der ihn zu einem Vampir gemacht hat, Far einfach seinem Schicksal überließ.“ Mathis warf Lorcan einen scharfen Blick zu. Der wich unwillkürlich einen Schritt zurück, was Songlian ein leises Lächeln entlockte. Wie musste er es genießen, seinen gemeinen Bruder kuschen zu sehen. Aber er hatte bisher auch nie erleben dürfen, wie Mathis seine Macht und seinen Status ausspielte. Seiner Mimik nach kostete er den Moment voll aus. Mathis gönnte es ihm.
„Das ist bloß eine Farce“, brach es aus Bhreac heraus. „Songlian ist doch in Wirklichkeit derjenige, der Far …“
Mathis’ Faust krachte lautstark auf den Schreibtisch. Schlagartig hatte sich sein Gesicht in eine bestialische Fratze mit Fangzähnen und geschlitzten Pupillen verwandelt.
„Soll ich dich fordern, Bhreac Walker, weil du mich einer Lüge bezichtigst?“, knurrte er zornig.
Bhreac wurde deutlich blasser, als ihm bewusst wurde, dass er in dieser heiklen Angelegenheit zu weit gegangen war. Er sprang hinter seinem Schreibtisch auf und fiel vor Mathis auf die Knie, wobei er den Kopf demütig senkte.
„Ich bitte vielmals um Verzeihung. Natürlich hast du es nicht nötig, mich anzulügen. Ich war bloß felsenfest davon überzeugt, dass Songlian Fars Meister ist.“
Mathis schwelgte mit Hochgenuss in dieser Szene. Lorcan war nicht mehr das Oberhaupt der Familie und buckelte vor ihm. Und nun lag sogar Bhreac vor ihm auf den Knien. Diese Situation hätte Far bestimmt erheitert.
„Wo ist Far jetzt?“, wollte Songlian wissen und beteiligte sich zum ersten Mal am Gespräch.
„Dass er nicht hier bei dir bleiben wollte, erscheint mir ja offensichtlich.“ Er deutete auf das zerstörte Fenster. Bhreac sah finster zu ihm auf.
„Du hast ihn knapp verfehlt“, erklärte er.
„Und Cailean ist ihm auf den Fersen“, sprach Songlian seine Vermutung aus. Dieses Mal schwieg Bhreac, starrte lediglich auf den Boden vor sich.
„Mon ami hat dir eine Frage gestellt, Walker. Wir sind wegen Far hier, wie du weißt. Also strapaziere nicht meine Geduld“, zischte Mathis.
„Far hat Cailean ausgelöscht“, sagte Lorcan anstelle seines Bruders.
Songlian atmete erschrocken ein und er wandte sich überrascht zu Mathis um.
„Ceci est mon élève. – Das ist mein Schüler“, verkündete Mathis stolz und sein Gesicht nahm wieder normale Züge an.
„Ich verlange Vergeltung für Caileans Auslöschung“, sagte Bhreac leise.
„Représailles?“ Mathis lachte laut auf. „Steh auf, Bhreac und mach dich nicht weiter lächerlich. Du hast meinen Schüler und den Amoureux meines Freundes entführt und mich zudem beleidigt. Wie verstört muss dein Hirn sein, in dieser Situation Représailles zu verlangen? Sei froh, dass ich mir für einen Ehrenkampf mit dir zu schade bin. Le pauvre Jean-Luc müsste hinterher mühsam dieses entsetzlich scharfe Schwert polieren. Non, non.“
„Irgendetwas stimmt nicht. Wenn Far entkommen konnte, wieso ruft er mich nicht an?“, wandte sich Songlian an Mathis.
„Correct.“ Mathis schlug seinen Mantel beiläufig zurück, sodass die Schwertscheide freigelegt wurde. Seine Hand fiel wie zufällig auf den Griff der mächtigen Waffe.
„Bestimmt haben Bhreac und Lorcan eine Idee, pas vrai?“
Songlian fuhr zu seinen Brüdern herum.
„Worüber habt ihr mit Far gesprochen?“, fragte er mit einer gefährlich samtigen Stimme.
Die beiden schwiegen verächtlich. Viel hätte
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