Songkran
wäre beruhigter, wenn ich meine…“ Er stockte und seine Worte klangen in sich gekehrt. „…Dienstwaffe dabei hätte.“
Die Halbautomatik ruhte bei ihm zu Hause im Nachtschränkchen oder in einer anderen Schublade. Im Moment konnte er sich nicht erinnern, wo er sie abgelegt hatte. Vielleicht hatte seine Frau beim Saubermachen die Waffe in einer Schublade verstaut und vergessen, ihm den neuen Ort mitzuteilen. Das kam vor. Zum Dienst war er immer ohne Waffe erschienen. Einzige Ausnahme bildeten die obligatorischen, halbjährlichen Schießübungen für Polizeioffiziere gehobener Dienstgrade.
„Was mir gerade einfällt. Woher hatte Ukrist seine Pistole?“
„Irgendwo in Khlong Toei gekauft. Ich glaube am Hafen.“
„Das spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Hat mich nur mal interessiert. Man hat Sie hier am Fenster gesehen?“ Gun schloss den Vorhang und wandte sich Toon zu.
„Ich glaube nicht. Aber ich bin nicht sicher“, antwortete sie und goss kochendes Wasser in eine kleine Schale, in der ein Beutel Lipton-Tee baumelte.
An der Tür angelangt, drehte sich Gun zu ihr um: „Die Killer sind mir gefolgt. Die mussten sich nur an mich hängen und abwarten. Und ich Idiot hab sie zu Ihnen geführt.“
„Wer?“
Gun schüttelte den Kopf.
„Es sieht nicht gut aus, oder?“
Gun nickte. „Ich schaue mich kurz unten um. Bin gleich zurück. Schieben Sie das Schränkchen vor die Tür. Und schließen Sie hinter mir ab! Und trinken Sie bitte meinen Tee nicht“, sagte er mit einem Lächeln.
Ohne mutmaßliche Hintermänner zu nennen, trat er auf den Flur und ging den Gang entlang zum Treppenhaus. Am Treppenabsatz verlangsamte er und tastete sich Stufe für Stufe ins Ungewisse vor. Vom Foyer aus drang leise Thai-Musik nach oben. An der Krümmung der Treppe wurden seine Beine weich wie Pudding und der Magen krampfte. Nach den nächsten zwei Stufen fiel sein Blick von oben auf die schwimmenden Goldfische im Aquarium, das neben dem Treppenaufgang das triste Vorzimmer aufheiterte. Leise unterhielt sich ein Mann auf Thai mit der jungen Rezeptionistin. Beide lachten ungezwungen. Gun beugte sich nach vorne, so dass er den Rücken und den Hinterkopf des Mannes sah. Der Motorradhelm lag auf dem hölzernen Hoteltresen. Kein Zweifel! Toon hatte Recht mit ihrem Verdacht. Es war der einsame Motarradfahrer vom Expressboot. Vorsichtig bewegte sich Gun rückwärts, Stufe für Stufe, bis der Flur vermeintliche Sicherheit versprach. Dann hastete er zurück zu Toon.
„Die kennen jetzt Ihre Zimmernummer“, begann Gun unmittelbar, nachdem Toon die Tür hinter ihnen abgeschlossen hatte. Das plötzliche Klingeln seines Handys ließ beide erschrecken.
Im monotonen Dahingleiten über die Fernstraße Nummer 3 nahm Sakkarin die vereinzelten Bodenwellen nicht wahr. Sein Chauffeur fuhr konstante 80 Kilometer pro Stunde über die zweispurige Hochstraße, unter deren Betonkonstruktion unzählige LKWs Tonnen von Industrieprodukten hin und her bewegten. Die hochmodernen Stoßdämpfer des Lexus fegten die Unebenheiten des Asphalts dahin wie ein heißes Messer, das durch Butter gleitet.
Das hellerleuchtete Werksschild von Toyota kündigte die Fabrikanlagen des Marktführers im thailändischen Automobilsektor an. Sakkarins Blick glitt von oben über die Fertigungshallen des Weltkonzerns. Überall brannten Lichter und zeugten von Nachtschichten. So weit das Auge reichte fügte sich nördlich und südlich der Hochstraße Fabrikgebäude an Fabrikgebäude. Die von Scheinwerfern beleuchteten Hallen von Mazda, Saab und Panasonic glitten am gepanzerten Fenster seiner Luxuslimusine vorbei und unterstrichen die internationale Bedeutung des thailändischen Wirtschaftsstandortes.
Sakkarin drückte einen der braunen Knöpfe der Mittelkonsole. Der Fond des Lexus genügte einem vollautomatischen Büro mit Wohlfühlgarantie; speziell für seine Bandscheiben angefertigte orthopädische Massagesitze; dazu eine kleine Whiskybar und ein in der Rücklehne des Fahrersitzes versenktes abhörsicheres Satellitentelefon.
Geräuschlos bewegte sich ein flacher Farbmonitor aus dem beigen Leder des Dachhimmels heraus. Auf Knopfdruck neigte sich der Ledersitz sanft nach hinten. Sakkarin streckte den Oberkörper aus, legte die Füße auf der gepolsterten Fußstütze ab und nahm die Fernbedienung der Konsole in die Hand. BBC World hatte gerade eine Liveschaltung mit dem New Yorker Börsenparkett im Programm. Befriedigt nahm Sakkarin einen Anstieg des Dow Jones zur
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