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Songkran

Songkran

Titel: Songkran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Matti
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Kellerraum, dessen Tür ausgehängt war. Der Raum diente als Lager für Gerümpel und ausrangierte Möbelstücke. Ein Fahrradheimtrainer verstaubte in einer Ecke. Das Licht vor den Arrestzellen am Ende des Kellergangs brannte nicht; ein Indiz für Mex, dass kein Krimineller oder Trunkenbold einsaß. Aber das war nicht sicher. Genau so gut konnte einer seiner Kollegen in Gedanken das Licht gelöscht haben. Jetzt rächte sich, dass er sich nicht um das Alltagsgeschäft gekümmert hatte.
    Mex eilte den Mittelgang entlang und huschte die Treppe nach oben in das Parterre. Die Konzentration des Kollegen an der Pforte galt einer daily soap , die dieser in seinem teilverglasten Kabäuschen sah. Der Rest des Nachtdienstes war auf Streife oder in den Arbeitsräumen. Mex nutzte die Gelegenheit und verschwand auf der Treppe in den ersten Stock, um wenig später erleichtert die Tür seines Büros hinter sich zu schließen.
    Die ungeladene Ruger lag im Stahlschrank; daneben ein munitioniertes Magazin und drei Schachteln 9x19mm Munition. Kurz überschlug er seinen Bedarf an Patronen für die Nacht. Zehn Schuss waren im Magazin. Wenn er nur genau wüsste, was Mr. Wang und sein Hokkien-Killer vorhatten?
    Mex schob das Magazin in die Pistole und verstaute die Waffe im Bund seiner hellen Baumwollhose. Das hellblaue Hemd verdeckte den Pistolengriff. Unbewusst tastete er die Hosen- und Hemdtaschen ab, als ob etwas fehlte; dann öffnete er die Bürotür. Der Geruch von frischem Bohnerwachs lastete im Gang. Das war ihm vorhin in der Eile nicht aufgefallen.
    Fetzen einer Unterhaltung hallten aus dem Untergeschoss nach oben herauf. Dann trat Stille ein. Von der Dunkelheit des Flurs eingehüllt, schlich Mex bis zum Treppenhaus. Der gebohnerte Boden war leicht glatt. Langsam stieg er die Stufen herab und ließ seine rechte Hand über das Geländer gleiten. Die Tür der Telefonzentrale stand offen. Mex erkannte Som, die mit dem Rücken zur Tür an ihrem Schreibtisch saß und telefonierte. Wer hatte Nachtdienst in der Telefonzentrale? fragte er sich, als er den Türgriff der Kellertür anfasste und herunterdrückte.
    Die Schwingtür des Haupteingangs wurde nach außen aufgezogen. Anstatt umgehend in die Dunkelheit des Kellers einzutauchen, versteinerte Mex und starrte in die Augen seiner Kollegin Noi. Halbherzig nickte sie ihm zu und verschwand im Kabäuschen neben der Eingangstür.
    „Was macht Mex hier?“, fragte sie den Wachhabenden und stellte zwei Plastiktüten auf den Tisch, auf dem eine aufgeschlagene Ausgabe der Thai Rat lag.
     „Wieso fragst du? Der schöne Inspektor hat doch gar keinen Dienst?“, antwortet der Kollege und drehte seine Augen von dem kleinen Bildschirm Noi zu.
    „Das ist es ja gerade“.
    Noi holte das Khao Pat aus der Plastiktüte, entfernte die Alufolie und stellte den Plastikteller auf den Holztisch. Genüsslich roch der Kollege an dem gebratenen Reis, in dem Gemüse und Huhn mitgeröstet waren. Geschälte Gurkenscheiben und eine halbe Zitrone lagen am Tellerrand.
    „Noi, du bist meine Rettung. Ich bin am verhungern.“ Sanft berührten seine Fingerspitzen den zarten, fast unsichtbaren Flaum, der die Haut ihres Unterarmes bedeckte.
    „Keine Ursache“, nuschelte sie in den Raum und wich mit dem Arm seiner Berührung aus. Sie ging ins Treppenhaus. Mex war verschwunden. Wohin? Misstrauisch schüttelte sie den Kopf, da er keine seiner üblichen, sexistischen Anmachsprüche auf den Lippen gehabt hatte.
    Derweil hastete Mex durch die Kellerräume in den kleinen Hinterhof. In der Dunkelheit stolperte er über den dort liegenden Metallschrott und schlug sich die Kniescheibe auf. In die Nacht lauschend, lag er bewegungslos auf dem verrosteten Zeug. Was, wenn die Nachtschicht im Gebäude seinen Sturz gehört hatte? Das Fenster des Aufenthaltsraums stand sperrangelweit zum Hof hin offen. Leise drangen Musikklänge nach außen. So laut war sein Sturz nicht gewesen, beruhigte er sich. Sonst hätte jemand längst nach dem Rechten gesehen. Seine Finger tasteten nach der Ruger. Sie steckte im Bund. Dann kroch er über das Metall zur Öffnung im Zaun und schlüpfte in den verwilderten Garten. In gebückter Haltung lief er an halbhohen Bananenstauden, wilden Frangipanibäumen und wucherndem Farnsträuchern vorbei und erreichte die Steinmauer. Die Hose über dem Knie war aufgescheuert. Keuchend setzte er sich auf den Boden, der übersät war von den weißen Blüten der Frangipani. Mex presste den Rücken gegen die kühlen

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