Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
Cash.
Er betrachtete Billy. Tiefe Falten hatten sich um seine blassblauen Augen herum eingegraben, und der verwegene Oberlippenbart, der seinen Mund bedeckte, war angegraut. Es war eine ganze Weile her, seit sie gemeinsam vor ihrem Wohnhaus herumgelungert und die Zeit damit totgeschlagen hatten, sich den täglichen Straßenzirkus anzuschauen oder Waschbären zu fangen wegen der fünf Centavos, die es für jedes Fell gab, und für die Jungs, die im Boxstudio ihrer Großtante herumhingen, Botengänge zu machen. Nach Feierabend hatten sie sich oft auf der straffgespannten, geflickten Zeltplane des Rings im Boxen geübt. Billy mit seinen langen Armen und seinen harten, schnellen Schlägen und Haken hatte meist gegen Cash gewonnen. Er war auch intelligenter als Cash, aber er hatte nicht die Begabung für Mathematik, die Cash auf Fluchtgeschwindigkeit gebracht und ihn bis zum Mond und darüber hinausgetragen hatte, zum Saturnsystem und in den stillen Krieg.
Jetzt sagte Billy mit einem durchtriebenen Lächeln: »Wahrscheinlich fragst du dich, wie es kommt, dass wir uns hier in die Arme gelaufen sind.«
»Das war vermutlich kein Zufall.«
»Tatsache ist, dass wir ständig nach guten Piloten Ausschau halten.«
»Das R & S-Korps oder du und Onkel Howard?«
»Da gibt es eigentlich keinen Unterschied. Onkel Howard kümmert sich um die Versorgungslager in Bastrop. Er wollte dich wissen lassen, dass es eine freie Stelle gibt, falls du nach einem Job suchst.«
»Du kannst Onkel Howard sagen, dass ich es zu schätzen weiß, aber ich vermute, ich bin kein R & S-Typ. Nichts für ungut. Es ist eben einfach so.«
»Wenn du deine Vorgeschichte meinst, darum würden wir uns kümmern. Und von uns hat keiner ein Problem damit«, sagte Billy. »Wir sind schließlich deine Familie. Und eine Familie hält zusammen, egal, was kommt.«
»Ich hab schon einen Job.«
»Nicht mehr sehr lange. Deine Freunde haben nur überlebt, weil sie andere Leute bestochen haben, damit sie wegschauen. Ich habe allerdings gehört, dass es eine Razzia geben soll. Eine Säuberungsaktion gegen korrupte Beamte. Wenn du bei deinen Freunden bleibst, wirst du vielleicht darin verwickelt. Es ist deine Entscheidung, Cousin, aber du kannst mich jederzeit anrufen«, sagte Billy, zog ein zusammengefaltetes Stück Papier aus der Brusttasche seines Overalls und legte es auf den Tresen.
»Ihr sucht einen Piloten?«
»Und ob.«
»Um welche Flugzeuge geht es?«
› 4
April an der Foyn Coast von Graham Land, antarktische Halbinsel. Der Winter fing an, die Tage wurden kürzer. Die Sonne war in einem flachen Bogen über den östlichen Horizont des Weddell-Meers gewandert und dann hinter der brasilianischen Fregatte verschwunden, deren früherer Name Admiral João Nachtergaele gewesen war und die jetzt nach dem ermordeten grünen Heiligen Oscar Finnegan Ramos benannt war. Die waffenstarrenden Aufbauten der Fregatte hoben sich vom blutroten Schein des Sonnenuntergangs ab, während sie mit Hilfe von Radar und GPS auf die Küste zuglitt, sich einen Weg durch das brüchige Eis bahnte und dabei zu beiden Seiten kleine Tafelberge aufwarf.
Die Nacht war hereingebrochen, und die verschneiten Berge, die das Rückgrat der Halbinsel bildeten, hoben sich verschwommen und blass vom schwarzen, sternenbedeckten Himmel ab, als das Schiff ein paar Kilometer vor der Küste beidrehte und fünf große Schlauchboote mit Stoßtrupps der dritten Sonderbrigade aus der Heckklappe schossen. Die Soldaten trugen kugelsichere Westen über wetterfester Kleidung, kauerten sich mit ihren Waffen und ihrer Ausrüstung gegen die kalte Gischt zusammen, während sich die Schlauchboote durch die hohen Wellen kämpften. Sie fuhren in eine Fjordmündung hinein, die sich ins Festland bohrte, und sahen Lichter, die sich über das nördliche Ufer verteilten. Weniger als eine Minute später heulten die Geschosse der Schienenkanonen der Fregatte über ihre Köpfe hinweg. Die dunkle Nacht wurde von orangefarbenen
Blitzen durchzuckt und vom Donnern der Explosionen erschüttert, als die Geschosse ihr Ziel fanden. Die Schlauchboote beschleunigten ihre Fahrt auf die Küste zu, wo sich das Feuer der brennenden Gebäude, aus denen hohe Flammen und Rauch schossen, im dunklen Wasser spiegelte. Die Schlauchboote landeten nacheinander an einem schneebedeckten Strand an, Soldaten sprangen heraus und rannten nach links und rechts, ein paar auf die Labors und die zerstörten und brennenden Unterkünfte der
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