Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
des Bioms wurden heruntergedreht. Feuerwerkskörper zerplatzten unter der hohen Decke. Flieger mit Chromatophoren-Genen, über deren Haut leuchtende Farbmuster wanderten wie bei liebestollen Tintenfischen,
tanzten in der Luft. Schließlich wurde die Bahre mit der Toten von Leichenträgern hochgehoben, während Dutzende Männer und Frauen in weißen Lendenschurzen einen langsamen, schleppenden Rhythmus auf Trommeln schlugen, die an ihrer Hüfte hingen. Eine große Prozession sammelte sich und wälzte sich aus dem Biom hinaus und durch den Eisenbahntunnel in die dunkle Stadt hinein. Die Alleen waren von Menschen gesäumt, die Kerzen hielten – Zehntausende flackernde Lichter, die die unterschiedlichsten menschlichen Gesichter beleuchteten. Schließlich wurde Avernus’ Leiche in die Hydrolyse-Einrichtung getragen, und die Menge begann, sich aufzulösen. Nächtliche Stille senkte sich über die Stadt.
Alder hatte die Aufgabe, einen Teil von Avernus’ Asche nach Großbrasilien zu bringen, wo sie um den Schössling eines Menschenbaums im Eixo Monumental in Brasília verteilt werden sollte. Zuvor musste er sich jedoch noch um eine Familienangelegenheit kümmern.
Die letzten zehn Jahre hatte sein jüngerer Bruder, Berry Malachite, in einer Suite in dem Hotel in Camelot, Mimas, gehaust, das während der Ära der DMB für hochrangige Besucher gebaut worden war. Seine Rechnungen wurden mit dem Geld und Karma seiner Mutter beglichen. Er hatte keine Arbeit und schon vor langer Zeit jeden Kontakt zu seinen Freunden und ehemaligen Geschäftspartnern verloren. Er hatte nie auf eine der Nachrichten geantwortet, die Alder ihm pflichtbewusst zu jedem Geburtstag und Gaiatag und zu Weihnachten geschickt hatte. Alder wollte alles in seiner Macht Stehende tun, um Berry zu helfen, aber Cash Baker zufolge, der vor ihm nach Camelot gereist war, würde er sich erst einmal mit der Frau befassen müssen, die behauptete, Berrys angetraute Partnerin zu sein.
Das Hotel, das sich in einer Kammer befand, die in die kraterübersäte Ebene außerhalb des Stadtzeltes gegraben worden war, war eigentlich ein Biom aus wogendem Grasland mit einigen vereinzelten Baumgruppen. Kleine Herden Mammuts, Zebras und Auerochsen weideten auf der Grasfläche, die sich unter einem virtuellen Himmel, der ebenso blau war wie der der Erde, bis ins Unendliche zu erstrecken schien. Während sie in einem Karren über eine rote, unbefestigte Straße auf Berrys Suite zufuhren, erzählte Cash Alder, dass es den Gästen während der Besatzung erlaubt gewesen war, die Tiere zu jagen.
»Jedes Tier, das sie schossen, wurde auf der Stelle geschlachtet und über einem Grill gebraten. Es gibt auch Angelteiche, die von dem kleinen Fluss abzweigen, der durch das Biom fließt. Natürlich wird die Tierpopulation inzwischen von den Außenweltlern, die das Hotel leiten, mit Hilfe von empfängnisverhütenden Implantaten reguliert. Wenn ich daran zurückdenke, wie es nach dem Krieg gewesen ist, was wir getan haben … Wir müssen wie Barbaren gewirkt haben.«
Der Karren, der sich in gemütlichem Schritttempo fortbewegte, machte einen weiten Bogen um einen Hain aus Bambus und gelb blühenden Mimosen, und dann lag Berrys Suite vor ihnen – eine mit saftigem Gras bewachsene Kuppel, in der sich kleine, runde Fenster befanden, die an Kaninchenlöcher erinnerten. Vor der runden Tür stand Berrys Partnerin, Xbo Xbaine, das dunkelhäutige Gesicht zu einem finsteren Ausdruck verzogen und die Arme über der Kunststoffweste verschränkt, die ihre kleinen Brüste bedeckte.
Dennoch behandelte sie Alder und Cash höflich und zuvorkommend, führte sie zu Liegestühlen im Schatten eines Regenschirmbaums, bot ihnen Tee und Sushi an und sagte
ihnen, dass Berry an diesem Tag nicht in besonders guter Verfassung sei.
»Weiß er, dass ich hier bin?«, fragte Alder.
»Offen gestanden hielt ich es nicht für eine gute Idee, es ihm zu erzählen«, sagte Xbo Xbaine. »Er macht gerade eine schwierige Phase durch. Und seine schwierigen Phasen werden immer schlimmer. Der Schock, Sie zu sehen, könnte einen seiner Anfälle auslösen. Oder Schlimmeres. Wenn Sie morgen oder übermorgen nochmal kommen könnten, geht es ihm vielleicht ein wenig besser. Ich kann natürlich nichts versprechen, aber ich werde mir die größte Mühe geben, ihn zu einem Treffen zu überreden. Bis dahin, wenn es irgendetwas gibt, das Sie wissen wollen … Vielleicht ist es anmaßend von mir, aber ich betrachte mich inzwischen als
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