Sonnenfeuer

mehr für sie und ihr Kind.
    »Mach, daß du rauskommst«, zischte sie.
    Wieder mutiger geworden, griff er nach seinem Hut und eilte zur Tür. »Wenn du mich noch einmal bedrohst, schlage ich dich grün und blau. Es wird Zeit, daß du lernst, wo du hingehörst. Ich erledige jetzt in der Stadt meine Geschäfte, und wenn ich zurückkomme, steht das Essen auf dem Tisch! Hast du mich verstanden?«
    Sie ließ das Messer fallen. »Ja.«
    »Gut so.« Er zog eine Zigarre aus der Tasche und steckte sie an, um seinen Triumph noch eine Weile zu genießen. »Du willst einfach nicht wahrhaben, Diamond, daß du auch nur eine primitive Schwarze bist.«
    Sobald er die Hütte verlassen hatte, packte sie ihre Sachen. Stundenlang schlenderte sie durch den warmen Sand am Strand entlang und versuchte, das Vorgefallene zu verstehen. Seltsamerweise war der Schmerz nicht so groß wie damals, als Ben sie das erstemal so schmachvoll zurückgewiesen hatte. Vielleicht hatte sie auch schon immer gewußt, daß es eines Tages so kommen würde. Doch jetzt gab es viel zu tun. Sie würde ihre Reisetasche bei Marie Bourke unterbringen und in den Busch gehen, um den anderen, von der Mutter geflochtenen Beutel zu holen. Kein Mensch würde auf eine Schwarze mit einem schäbigen, handgearbeiteten Beutel achten, und niemand würde fragen, was er enthielt. Dann würde sie eine Überfahrt auf einem großen, anständigen Passagierschiff buchen, die hier inzwischen anlegten und Goldgräber an Land brachten. Dort bräuchte sie um ihre Sicherheit nicht zu fürchten. Und das Schiff sollte sie nach Brisbane bringen – denn wenigstens wußte sie jetzt, wo ihre Heimat war. Ihre Heimat war der Ort, an dem sie aufgewachsen war und den sie so gut kannte. Jannalis Bruder hatte recht gehabt, als er sich an die Stirn getippt und gesagt hatte, sie wüßte ganz genau, wo ihre Heimat liegt. Nur hatte sie sehr lange gebraucht, um dies zu erkennen. Während ihre Füße von sanften Wellen umspielt wurden, dachte sie an das kleine Mädchen, das vor vielen Jahren an dieser Küste gefischt hatte.

7
    B owen. Als die grüne, schimmernde Stadt vor ihm lag, ließ Lew das Schiff betont langsam in den Hafen gleiten, um den Anblick in aller Ruhe genießen zu können. Der warme, sanfte Regen spülte den Staub von den Straßen und perlte glänzend von den Blättern. Was hätten die Leute, die sich auf den Trecks über das verkarstete Land vom Palmer nach Charters Towers oder weiter östlich nach Townsville befanden, für diesen Regen gegeben! Der letzte Abschnitt war der schlimmste, wenn man vom staubigen, roten Land an die Küste kam und in Townsville gerade Wassermangel herrschte. Was mochte wohl die Natur bewogen haben, diese beiden tropischen Küstenstädte so unterschiedlich auszustatten? Townsville, das nach Regen lechzte, und Bowen mit seinen unzähligen frischen Quellen, großzügig bedacht von den ersten Schauern der Regenzeit.
    Chin Ying trat mit einem Regenschirm an Deck. »Ich nehme an, du kannst es kaum erwarten, Miss Middleton deine Aufwartung zu machen?«
    »Stimmt. Diesmal werde ich es aber richtig anfangen. Perfy war immer sehr beeindruckt von Herberts elegantem Aufzug. Also gehe ich zuerst in die Stadt und lasse mir die Haare schneiden, dann besorge ich nur einen guten Anzug und kaufe die besten Stiefel, die man für Geld kriegen kann.«
    Ying lächelte. »Und das soll der Seefahrer sein, der sich immer über meine feinen Kleider lustig gemacht hat?«
    »Ich tue das nicht freiwillig, mein Freund. Ich will sie überraschen.«
    »Hast du dir mein Angebot noch einmal durch den Kopf gehen lassen?«
    »Ja, und ich fühle mich geehrt, daß du mich für würdig erachtest, Teilhaber eines so aussichtsreichen Geschäfts zu werden. Es erfüllt mich mit Stolz, daß du mir so viel Vertrauen schenkst, mir den Posten des geschäftsführenden Direktors anzubieten. Das meine ich ehrlich, Ying. Wie immer meine Entscheidung auch ausfällt, ich werde auf jeden Fall in deine Firma investieren.«
    »Entschuldige bitte, aber das wird nicht möglich sein. Wenn du den Posten als geschäftsführender Direktor ausschlägst, dann halte ich es für besser, wenn du deiner eigenen Wege gehst. Leisten kannst du es dir. Meine Gesellschaft soll allein von zwei Direktoren geführt werden, denn ich will vermeiden, daß andere Investoren sich einmischen. Wenn du mein Angebot ausschlägst, muß ich mir einen anderen Engländer suchen, der Chinesisch spricht und einen einwandfreien Leumund hat. Außerdem