Sonnenwanderer
von Biofluoreszenz. Schon wieder kaputt? Warum, zum Kuckuck, wurden die Röhren nicht ausgewechselt?
Als Tabea das Bad endlich fand, war es nicht da, wo es hätte sein müssen. Weil - diese Erkenntnis bahnte sich langsam, aber sicher ihren Weg in ihr nebliges Bewusstsein - es nicht das Ihre war. Sie starrte auf die trübe erhellten sepiabraunen Formen der fremden Einrichtung und fragte sich, wo sie war.
Zumindest war es diesmal ein bewohntes Apartment. Unlängst hatte man sie unten in den Docks gefunden. Sie war zwischen den Servicebuchten herumgewandert und hatte die verwahrlosten Schiffe gestreichelt. Man konnte nur vermuten, wie sie den ganzen langen Weg nach da unten geschafft hatte, ohne aufgehalten zu werden; ohne sich den Hals zu brechen oder jemandem zu begegnen, der die Gunst der Stunde nutzend das für sie besorgt hatte.
Sie hatte Kopfschmerzen. Schlimme Kopfschmerzen. Schmerzen, die sie auch bei trübem Bewusstsein als selbstverschuldet erkannte.
Tabea setzte sich auf die einzige Sitzgelegenheit hier und dachte über Sarah Zodiak nach.
Als sie zuletzt mit ihr im Bett gewesen war, hatte Sarah nach dem Sex dagesessen und in einem Buch gelesen, während sie dagelegen und sich im Stillen über Kenny und seine Jungs gewundert hatte. Es gab Gesichter unter ihnen, die sie nicht kannte, obwohl Kenny beteuerte, sie habe sich von jeder Wahl persönlich überzeugt. Sie spielte mit dem Gedanken, sie alle zu feuern und neu anzufangen. Und hintenherum mit dieser Teufelin zu reden, um zu hören, was sie dazu sagte.
Sarah hatte ihr Buch zugeschlagen. »Ich verstehe nur Bahnhof«, sagte sie.
»Was?«
Es war ein altes Buch mit harten Deckeln. Sarah schlug es wieder auf, ganz vorne. Sie las laut vor: »›Als das erste Baby zum ersten Mal lachte, zerbrach das Lachen in tausend Stücke, und alle hüpften herum, und das war die Geburtsstunde der Feen.‹«
»Hört sich vollkommen logisch an«, meinte Tabea. »Was ist das?«
Die Magierin zeigte ihr den Titel. Peter Pan , stand da.
»Woher hast du das?«
Sarah blickte geistesabwesend auf das Buch in ihrer Hand. »Ich muss es irgendwo mitgenommen haben«, sagte sie.
»Wo?«
Aber es war zwecklos gewesen. Das Buch sah genauso aus wie das erste, das sie auf dem Maskenball bekommen hatte. Vielleicht war es dasselbe. »Hast du es von diesem Kerl bekommen?«
»Ich weiß nicht mehr«, hatte Sarah gesagt. Ihr Gleichmut konnte einem auf den Geist gehen, dachte Tabea jetzt, in diesem fremden Apartment. Und wenn nun Sarah die Platte geklaut hatte? Verkleidet, um die Besatzung zu verwirren. Weil sie Verwendung dafür hatte: was immer sie bei J. M. Souviens im Schild führte.
Wenn deine Freundin dich mit deinem besten Freund betrügt, wer weiht dich ein?
Als sie wieder ins Bett stieg, wachte er auf.
Er strich ihr übers Haar. Mit der richtigen Hand.
»Nein.«
Sanft streunte die Hand tiefer. Sie zog die Knie an. »Lass.«
»Diese Nacht hast du das nicht gesagt.«
Tabea stöhnte. Ihr Kopf fühlte sich an wie ein Frontalzusammenstoß.
»Was ist denn, Kleines, ist dir nicht gut?« Er klang besorgt.
Sie war nackt, und er war es auch. Neben ihr, warm und wohltuend und unverkennbar nach Sex riechend.
Vielleicht träumte sie. Von einer Karnevalsnacht in Schiaparelli, vor Jahren, als der Wahnsinn seinen Anfang nahm. »Träum …«
»Schon gut, Liebling, schlaf weiter. Diese Träume sind bloß in deinem Kopf.« Hörte sich an, als zitiere er jemanden.
»Nicht mehr«, nuschelte sie ins Kissen. »Wie spät ist es?«
»Mitten in der Nacht.«
Sie würde wieder einschlafen. Wieder einschlafen und um zehn in ihrem eigenen Apartment aufwachen. Noch besser in ihrer engen, kleinen Kabine an Bord der Alice Liddell .
Er klopfte ihr auf die Schulter.
»Ich bin so glücklich, dass wir wieder zusammen sind«, sagte er.
Über diesen besonderen Umstand wollte Tabea jetzt nicht nachdenken. Aber das konnte Marco Metz nicht aufhalten.
»Ich meine, wo war ich denn ohne dich? Der Merkur-Palast zum Beispiel. Scheußlich bis zum Abwinken. Mir konnte nichts Besseres passieren, als dass du mich da raushaust. Nicht, dass ich mein Engagement bereue, versteh mich nicht falsch. Ich bedauere es nicht, natürlich nicht, nicht einen Augenblick. Das war schon ein loyaler Verein, Abend für Abend dieselben Leute, die bei denselben Liedern klatschten.«
Er lag auf dem Rücken, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Er redete sehr ruhig, die Worte strömten aus ihm heraus, sanft, aber
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